Lucy
hatten.
»Zeig’s ihnen, Lucy!« Lucy sah auf und entdeckte Amanda, die winkte und den Daumen hochreckte. Lucy winkte lächelnd zurück und hob auch einen Daumen, das schien unter den Menschen irgendwie ein positives Zeichen zu sein.
»Versuch einfach bloß, mit deinem Gegner in diesem großen Kreis zu bleiben, das ist alles«, erklärte der Trainer währenddessen. »Du musst ihn packen, zu Boden ringen und dann … Na ja, du sollst ihn nicht durch die Gegend werfen, aber …« Er schien sich verzettelt zu haben und rief rasch: »Ayers! Du bist der Nächste.«
Ein hochgewachsener bronzebrauner Gott stieg die Tribüne herab, und wieder gingen Lucy und ihr Gegner auf der roten Matte in Kampfstellung. Lucy spürte, wie ihr das Herz in der Brust hämmerte, und verlangsamte bewusst ihre Atmung. Dann packten sie beide sich bei den Armen und umkreisten einander eine Zeit lang. Ayers unternahm als Erster einen Angriff. Er schien ihre Oberarme fest im Griff zu haben, doch schon im nächsten Augenblick stand Lucy einen Meter entfernt von ihrem am Boden liegenden Gegner allein da und lächelte ihn an.
|134| »Ayers«, brüllte der Trainer, »warum zum Teufel hast du sie losgelassen?«
»Hab ich nicht. Ich hatte sie doch fest im Griff.«
»Na, irgendwas muss ja passiert sein. Versuch’s noch mal«, befahl der Trainer.
Der Junge stellte sich erneut mit Lucy zum Ringkampf auf. Wieder umkreisten sie einander, und wieder hatte Ayers sie fest an den Oberarmen gepackt. Doch dann schien Lucy sich vor seinen Augen einfach in Luft aufzulösen, und plötzlich war sie hinter ihm und versetzte ihm einen Stoß. Ayers ging zu Boden.
Der Trainer stand neben ihm. »Da kannst du nur noch staunen, Ayers, was?«
»Die schummelt.«
»Tja, wie auch immer.« Der Trainer kaute auf einem Bleistiftstummel herum und musterte Lucy. »Ungeschliffenes Talent. Wahnsinnskräfte«, murmelte er vor sich hin, ehe er an seine Ringer gewandt in den Übungsraum hineinbrüllte: »Kann etwa keiner von euch dieses kleine Mädchen bezwingen, oder was? Na los, meine Herren, ist das hier ein Ringerteam oder eine beknackte Balletttruppe? Hat hier keiner Eier in der Hose?« Und zu Lucy gewandt fügte er hinzu: »’tschuldige die Ausdrucksweise.«
Ein Junge nach dem anderen aus dem Team kam und stellte sich mit ihr auf der roten Matte zum Kampf auf. Lucy war es schon richtig peinlich. Sie musste nichts weiter tun als ihnen ausweichen. Doch schon das allein schien dem Trainer unglaublich zu imponieren. Nachdem alle einmal an der Reihe gewesen waren, nahm der Trainer Lucy und einen eher schmächtigen Jungen namens Weston Temple beiseite.
»Wes, du wirst ihr die Feinheiten beibringen«, ordnete er an. »Du zeigst ihr, wie man den Gegner zu Boden ringt und |135| dann selbst die Oberhand behält. Sie ist ja offenbar ein Naturtalent und hat Kraft bis zum Abwinken.«
»Ja, Trainer, kann ich machen«, erwiderte Weston. Er wirkte sehr schüchtern.
»Willst du mit Wes trainieren, Lucy?«
»Einverstanden.« Lucy nickte.
»Okay. Aber kein Schubsen oder Werfen mehr, Lucy. Das ist gegen die Regeln.«
»Tut mir leid, das wusste ich nicht.«
Der Trainer blies in seine Pfeife. »Ayers, Thompson, Mitchell«, rief er. »Ihr lauft jetzt eure Runden.«
Lucy spürte, wie das Blut in ihren Adern pulsierte, als sie Wes gegenüberstand. Es war ein angenehmes Gefühl, so wie früher, wenn sie mit den Bonobokindern spielte. Sie wusste nicht genau, was der Trainer mit »Feinheiten« und »Oberhand« gemeint hatte, aber sie hatte das Gefühl, dass sie es sich von Wes gern zeigen lassen würde. Und sie hatte begriffen, dass sie besser so tun sollte, als hätte sie gar nicht so viel Kraft, wenn sie dieses Ringkampfspiel richtig spielen wollte.
Deshalb blieb sie diesmal einfach locker stehen, als Weston auf sie zukam. Er drehte sie herum und warf sie auf die Matte. Sie wehrte sich nicht, und schon lag er auf ihr drauf, sein Kinn an ihre Schulter, sein Körper an den ihren gepresst. Erregung ergriff sie, ein wohliges Schauern, das ihr von den Beinen durch den Magen in die Brust und den ganzen Weg bis hinauf in den Kopf lief, wie ihr schien. Der Trainer lag bäuchlings neben ihnen und spähte mit konzentriertem Blick auf Lucys Oberkörper. Lucy ließ die Schultern sinken, und Weston drückte sie auf die Matte.
Der Trainer pfiff den Kampf ab. »Jawohl, Leute, das ist ein guter Schultersieg. Gut gemacht, ihr beiden. Das übst du jetzt erst mal, Lucy.«
|136| Weston war so
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