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Lucy

Lucy

Titel: Lucy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Gonzales
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konnte sie nicht einmal dazu bringen, eine Tablette Ibuprofen zu nehmen. »Hol einen Waschlappen, Amanda. Schnell.«
    Jenny hörte das Wasser im Badezimmer rauschen, und einen Moment später war Amanda mit einer Schüssel kaltem Wasser und einem Waschlappen zurück. Sie verbrachten beide die Nacht an Lucys Bett, die hin und wieder zuckte und im Schlaf aufschrie. Gegen vier Uhr schlief Amanda in dem Sessel in der Ecke ein. Jenny fuhr fort, Lucy sanft mit dem feuchten Waschlappen abzureiben. Lucys Fieber schwankte die ganze Nacht, einmal stieg es sogar bis auf 40,5   Grad. Doch gegen Morgen ließ es endlich nach. Völlig erschöpft sank Jenny |178| in ihren Lesesessel im Wohnzimmer. Drei Stunden später wachte sie wieder auf, schweißgebadet. Draußen war es bereits warm. Sie ging nach den Mädchen sehen. Beide schliefen.
    Jenny schaltete die Kaffeemaschine ein und sah aus dem Fenster. Lebhaftes Vogelgezwitscher drang aus dem Wald. Das Sonnenlicht brach verschwenderisch durchs Laubdach und fiel in großen Flecken auf den von Kiefernadeln übersäten Waldboden. Angestrengt dachte Jenny nach. Fiel ihr denn nicht irgendetwas ein, das ihnen vielleicht helfen könnte? Bonobos waren anfällig für die meisten Krankheiten, die auch der Mensch bekommen konnte, und außerdem für einige exotischere, die nur unter Tieren auftraten. Wenn Lucy noch länger hohes Fieber hatte, musste sie in ärztliche Behandlung. Und ausgerechnet jetzt trennte sie eine zwölfstündige Autofahrt von dem einzigen Arzt, dem Jenny vertrauen konnte. In diesem Gebiet von Boundary Waters gab es nicht mal ein Handysignal, so dass sie Harry auch nicht anrufen und um Rat fragen konnte.
    Jenny hatte kaum den ersten Schluck Kaffee getrunken, da hörte sie einen dumpfen Schlag und einen erstickten Laut. Sie rannte ins Schlafzimmer zu den Mädchen. Amanda stand mit weit aufgerissenen Augen im Zimmer, die Hand vor den Mund geschlagen. Lucy hatte Krämpfe. Jenny setzte sich auf den Bettrand und hielt Lucys konvulsivisch zuckenden Körper fest. Denk nach, befahl sie sich, und bleib vor allem ruhig. Lass dich nicht von Angst überwältigen.
    »Lauf zum Haus des Vermieters. Einfach den Weg entlang. Beeil dich. Sag ihnen, wir brauchen einen Krankenwagen.« Amanda schien vor Entsetzen zu keiner Bewegung fähig. »Na los, mach schon!«
    Endlich reagierte Amanda und rannte zur Tür hinaus. Jenny drehte sich wieder zu Lucy um und griff nach ihrer Hand. |179| »Halte durch, Schatz. Halte durch. Ich lass nicht zu, dass dir etwas passiert. Nur verlass mich nicht.« Erst als Jenny sie noch einmal mit dem Waschlappen abwischte, sah sie, wie sehr ihre eigenen Hände zitterten. Es dauerte eine endlose halbe Stunde, bis schließlich der Krankenwagen des Boundary Waters Service vor der Hütte vorfuhr, das Blaulicht tanzte flackernd über die Wände.
    Von Lucys Bett aus rief Jenny Amanda zu: »Pack all unsere Sachen zusammen und komm mit dem Auto nach.«
    Der Sanitäter schloss Lucy sofort an einen Tropf an und gab ihr Sauerstoff. Jenny fuhr hinten im Krankenwagen mit und hielt Lucys Hand. Sie brauchten eine ganze Stunde, um das Ärztezentrum im Außenbezirk von Grand Marais zu erreichen. Aber dort waren die Ärzte auf so einen Fall nicht vorbereitet, und es wurde ein Hubschrauber angefordert, der Lucy nach Duluth bringen sollte. Jenny wartete auf den Weitertransport, als Amanda eintraf.
    Sie saßen gemeinsam an Lucys Bett in der Notaufnahme, das durch Vorhänge von den anderen abgetrennt war. Es gab nichts zu sagen. Irgendwann schlug Lucy plötzlich kurz die Augen auf und blickte sich um.
    »Lucy!«, rief Amanda. Doch sie antwortete nicht.
    Als der Hubschrauber kam, bat Jenny Amanda, mit dem Auto nach Duluth zum Krankenhaus zu fahren, und stieg selbst mit in den Hubschrauber ein. Sie hielt die Lärmschutz-Kopfhörer über Lucys Ohren fest.
    Sie flogen im Tiefflug über die Waldgebiete und erreichten das Krankenhaus in Duluth in weniger als einer Stunde. Jenny wollte zwar vermeiden, dass irgendjemand auch nur einen Tropfen von Lucys Blut zu sehen bekam, wusste aber, dass es unsinnig wäre, ihr Geheimnis zu wahren, wenn Lucy dann sterben müsste. Ihr blieb keine andere Wahl, sie musste |180| Lucy behandeln lassen. Mit Befürchtungen aller Art unterzeichnete sie die Einverständniserklärung. Lucy kam sofort auf die Intensivstation. Eine Stunde später traf Amanda ein. Im Labor des Krankenhauses wurden unterdessen schon die ersten Blutuntersuchungen gemacht.
    Amanda rief ihre Mutter

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