Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
Vom Netzwerk:
bestimmt davon erzählt, dass ihr großer Bruder …« Er zögerte, sie konnte nicht sehen, ob er in ihre Richtung schaute.
    »Dass ihr großer Bruder was?«
    Kai antworte nicht. Er streckte ihr seine rechte Hand entgegen. »Komm, es wird langsam kalt.« Viktoria nahm seine Hand und ließ sich hochziehen.
    »Sie hat ihr vielleicht erzählt, dass ihr großer Bruder die Berliner Reporterin nicht aus dem Kopf bekommt. Dass er plötzlich ständig seine E-Mails checkt, um zu sehen, ob sie geschrieben hat, dass er Kurzmitteilungen auf dem Handy verschickt und dass er …« Weiter kam er nicht.
    Sie küsste ihn.
    Viktoria spürte seine Hände auf ihrem Rücken. Seine schwarzen ölverschmierten Hände würden die hellblaue, teure Lederjacke ruinieren. Sie lehnte sich an ihn. Dieser Moment war mehr wert als die teuerste Lederjacke auf dieser ganzen wunderbaren Welt.

 
    17. Kapitel
    Ursula Kleinhölter zögerte. Schließlich wollte sie sich nicht lächerlich machen. Und sie gab auch nicht gerne zu, dass sie nicht recht gehabt hatte. Doch ihr Pflichtbewusstsein überwog. Und natürlich die Angst. Er hatte ihr direkt in die Augen geschaut – und ihr war ganz und gar nicht wohl dabei gewesen. Er hatte einen sehr seltsamen Blick. Und die große schwarze Brille verstärkte diesen Blick noch. Ziemlich blass sah er aus – und er war noch ein ganz junger Kerl. Ende zwanzig höchstens. Sah eher aus wie ein Milchbubi, aber das kannte man ja von den Verbrechern. Die versteckten ihre perversen Gedanken hinter einer braven Fassade. Darauf würde sie nicht reinfallen. Ursula Kleinhölter holte das Telefon und stellte sich damit an ihr Küchenfenster. Während sie die Nummer der Polizei wählte, behielt sie die Straße im Blick. Sein dunkelroter Polo war jetzt verschwunden. Warum nur hatte sie immer gedacht, er sei dunkelgrün gewesen? Sie war sich ganz sicher gewesen. Als die Polizisten sie auf die Wichtigkeit ihrer Zeugenaussage aufmerksam gemacht hatten, war sie beinahe wütend geworden. Sie wüsste schließlich, was sie gesehen hätte, an jenem Tag, als die Tochter ihres Nachbarn auf so rätselhafte Art und Weise ums Leben gekommen war. Sie habe gesehen, dass ein junger Mann mit Brille durch den Vorgarten der Oppenkamps gekommen sei. Er hielt einen Karton in seinen Händen, packte ihn in seinen Kofferraum und fuhr danach ziemlich eilig davon. Es habe sich bei dem Fahrzeug um einen dunkelgrünen VW Golf mit Münsteraner Kennzeichen gehandelt, sagte sie aus.
    Jetzt wusste sie, dass es ein dunkelroter Polo war.
    Sie wurde mit dem zuständigen Beamten der Kriminalpolizei verbunden.
    »Frau Kleinhölter, sind Sie sicher, dass Sie den Mann wiedererkannt haben?«
    »Ganz sicher. Es war derselbe. Und der Wagen war es auch …«
    »Nur dass er jetzt eine andere Farbe hat.«
    »Ich weiß, es tut mir leid. Aber ich habe den Aufkleber wiedererkannt, so ein Anti-Atomkraft-Zeichen.«
    »Und das Kennzeichen?«
    »Ich … ich weiß nicht. Ich habe ihn aber fotografiert … glaube ich. Der Apparat gehört meinem Mann, und ich kenne mich damit nicht aus.«
    »Das ist … na ja, vielleicht hat es ja geklappt! Frau Kleinhölter, ich würde mir das Foto jetzt abholen.«
    »Das … ich meine, das habe ich doch gar nicht. Das ist auf der Digitalkamera meines Mannes, wenn überhaupt. Ich weiß nicht, ob ich die verleihen darf …«
    »Keine Sorge, das dürfen Sie.«
    Ursula Kleinhölter hatte ein ungutes Gefühl. Ihrem Mann würde das sicher nicht gefallen, er war sehr pingelig mit seinen Dingen, und sein Fotoapparat war noch recht neu. Aber sie hatte wohl keine andere Wahl. Sie setzte sich auf die Küchenstuhlkante und wartete auf die Polizei.
    »Hey, Schornsteinfeger! Gut geschlafen?«
    Kai lächelte, noch bevor er die Augen öffnete und zufrieden antwortete: »Ja.« Sein Gesicht war immer noch schwarz vom Fahrradöl. »Ich geh duschen!«, sagte er und hob zur Erklärung seine verschmierten Hände.
    »Ich komme mit«, sagte Viktoria und deutete auf die Flecken, die Kais Hände auf ihrer Haut hinterlassen hatten.
    »Vielleicht besser baden«, schlug er vor und machte sich daran, das Wasser einzulassen.
    Sie folgte ihm langsam, stand nackt in der Tür und beobachtete ihn. Er hatte ihr seinen Rücken zugewandt und hockte auf dem Wannenrand, testete das Wasser, regelte die Temperatur neu. Das Tattoo bewegte sich, wenn seine Schultern sich bewegten. Das Tattoo, das sich Nana Oppenkamp aus lauter Liebe und Verzweiflung herausgeschnitten hatte. Victoria

Weitere Kostenlose Bücher