Luderplatz: Roman (German Edition)
Schinken legte, war für sie alles, wie es sein musste. Kai Westmark war kein Mann, der an Basilikumsträuchern schnupperte. Sie griff nach der Ketchup-Flasche. Rot wie die Liebe, dachte sie und sagte: »Du kannst wirklich nicht kochen, Kai Westmark. Die Spiegeleier sind Murks. Aber sie schmecken hervorragend.«
Frank Metzger hatte es sich leichter vorgestellt. Nein, das stimmte nicht. Er hatte es sich gar nicht vorgestellt. Wie sollte man auch wissen, wie es sich anfühlt, auf dem Bahnsteig zu stehen und auf die eigenen Kinder zu warten. Die Kinder, die zwar schon vorher hauptsächlich bei seiner Exfrau lebten, die er aber immer in seiner Nähe wusste. Die er – wann immer er wollte – jeden Tag hätte sehen können. Jetzt kamen sie nur noch zu Besuch. Ein geschüchtert, weil sie Berlin nicht kannten. Unsicher, weil sie ihn seltener sahen. Müde, weil sie stundenlang im ICE gesessen hatten.
Doch er hatte es ja so gewollt. Der Job an der Charité, das große Berlin, der große Frank Metzger. Der Zug hatte Verspätung.
Vorhin hatte er mit seiner Kollegin aus Münster telefoniert. Die Polizei hätte jetzt geklärt, wie Nana Oppenkamp, die junge Frau, die an einer Überdosis Insulin gestorben war, bei der er zunächst das Einstichloch übersehen hatte, wie sie gestorben sei.
Es handelte sich um einen geplanten Selbstmord. Nana Oppenkamp war offensichtlich sehr labil. Sie hatte lange Zeit unter der Trennung von ihrem Exfreund gelitten und war regelrecht besessen von ihm gewesen. Daher stammte auch die seltsame Narbe auf ihrer Brust. Sie hatte sich eine Liebestätowierung selbst herausgeschnitten, um ihn damit unter Druck zu setzen. Außerdem habe sie versucht, ihn mit einer inszenierten Vergewaltigung zu erpressen. Als sie ihr Leben endlich wieder im Griff zu haben schien, starb ihr Vater. Ein sehr kühler Mann, der seiner Tochter gegenüber nur schwer Gefühle zeigen konnte, der für sie aber immerhin eine starke Säule in ihrem Leben war. Ungefähr zur gleichen Zeit erfuhr sie, dass ihr ehemaliger Freund sich in eine Reporterin aus Berlin verliebt hatte.
»Eine Reporterin aus Berlin?« Frank Metzger horchte auf. Er dachte an die schwarzen Haare, die langen Beine …
»Ja, du kennst sie sogar. Es ist Frau Latell.«
Die Sache wurde spannend, fand Metzger und bat seine Kollegin, ihm alles zu erzählen.
Nana Oppenkamp wollte nicht mehr leben, sie wollte aber auch nicht, dass Kai Westmark mit einer anderen glücklich wurde.
Kai Westmark? Hieß dieser Arzt nicht Westmark, war der nicht sogar tatverdächtig? Die Sache wurde noch spannender …
Nana Oppenkamp plante sehr akribisch und langfristig. Sie bewarb sich als Praktikantin in Berlin und arbeitete dort im selben Verlagsgebäude wie Viktoria Latell. Dort bespitzelte sie die Konkurrentin. Sie machte sich sogar an deren engsten Kollegen, den Fotografen Mario Siewers, ran, um mehr über Latell zu erfahren. Nach einem One-Night-Stand war sie aber plötzlich verschwunden. Siewers und Latell machten sich Sorgen, denn in seinem Badezimmer war jede Menge Blut …
Der blasse Mario Siewers, der seinen teuren Fotoapparat fallen ließ, als er die Leiche von Nana Oppenkamp auf dem Seziertisch gesehen hatte. Metzger begriff langsam, dass er für die Reporter aus Berlin mehr gewesen war als eine interessante Persönlichkeit, die sie unbedingt porträtieren wollten. Er war Mittel zum Zweck gewesen.
»Da war Blut in Siewers Badezimmer? Aber sie war doch nicht verletzt, ich habe keine Platzwunde oder Ähnliches bei ihr gefunden.«
Seine Kollegin am anderen Ende lachte. »Ich wusste, dass dich das interessiert …« Sie wartete noch einige Sekunden und ließ ihn zappeln.
»Es war Nasenbluten. Sie litt häufiger darunter, das bestätigte auch ihr Mitbewohner.«
Der Mitbewohner, der ihr ein einfaches Programm installierte, mit dem sie zeitversetzt E-Mails verschickte, um Viktoria Latell auf die falsche Fährte zu locken. Sie sollte glauben, dass Kai ein Vergewaltiger und Mörder war.
»Aber wie hat sie es angestellt, sich umzubringen, ohne Spuren zu hinterlassen. Es wurden keine Medikamente am Tatort gefunden. Hätte die Latell nicht nachgebohrt, wir hätten nichts geahnt.«
Der Mitbewohner war der Handlanger ihres Selbstmords. Sie hatte ihn gebeten, einen Karton mit Medikamenten zu entsorgen. Wer sich Insulin spritzt, stirbt nicht sofort. Nana Oppenkamp hatte genug Zeit, die Kiste vor die Haustür ihres Vaters zu stellen und darauf zu warten, dass ihr Helfer sie abholte.
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