Ludlum Robert - Covert 01
die letzten Winkel der Erde im Fernsehen übertragen und, was noch wichtiger war, in jedem Haushalt der Vereinigten Staaten empfangen wurde, sollte Castilla eigentlich durch einen erdrutschartigen Sieg die Wiederwahl sichern.
Neben Castilla stand Victor Tremont, der seinen Blick gemächlich über die wogende Menschenmenge gleiten ließ. Seine Gedanken waren weniger heiter. Eine unbehagliche Vorahnung nagte an ihm, als ob sein Vater neben ihm stehen und wieder sagen würde: »Niemand kann alles haben, Vic.« Ihm war klar, dass es keine realistische Grundlage für solchen Defätismus gab, aber er schien seine beunruhigenden Gedanken nicht abschütteln zu können. Dieser verdammte Smith und die CIA-Agentin - die Schwester dieser dummen Sophia Russel hatten es erneut geschafft, al-Hassan und seinen Männern zu entkommen, obwohl die sich alle Mühe gegeben hatten. Sie waren entkommen und seitdem hatte Tremont nichts mehr von dem Araber gehört.
Trotz seiner Zuversicht, dass er für alle Eventualitäten vorgesorgt hatte, war er besorgt und sein Blick suchte die Menschenmenge nach seinen Widersachern ab. Er wünschte sich, den Telefonanruf von Sophia Russel nie entgegengenommen zu haben. Warum hatte sie sich nur an diese flüchtige Begegnung vor mehr als einem Dutzend Jahren erinnert? Zufall - wie immer auch hier der absolut unvorhersehbare Faktor.
Aber auch das würde ihn nicht aufhalten.
Als er gerade noch einmal seine Handlungen Revue passieren ließ, begann die Blaskapelle »Hail to the Chief« zu spielen.
»Wir sind auf Sendung«, sagte der Präsident genießerisch. »Dies ist ein großer Augenblick, Dr. Tremont. Lassen Sie uns das Beste daraus machen.«
»Einverstanden, Mr. President. Und nochmals vielen Dank, dass Sie mir diese Ehre erweisen.«
Flankiert von Mitarbeitern des Secret Service, verließen Tremont und Castilla das Zelt und der anfangs dünne Beifall verwandelte sich rasch in tobenden Applaus. Die beiden Männer lächelten und winkten. Gemäß den Anweisungen, die man ihm zuvor gegeben hatte, hielt Tremont sich hinter dem Präsidenten, damit dieser zuerst die Bühne betreten konnte. Während er ihm folgte, versuchte er, sich jede Einzelheit dieses denkwürdigen Ereignisses einzuprägen. Die Bühne war mit großen rotweißblauen Flaggen geschmückt und auf dem Podium prangte vorne in Blau und Gold das Siegel des Präsidenten. Hinter der Bühne befand sich eine riesige Leinwand für TVKonferenzschaltungen, damit jeder die Würdenträger aus aller Welt sehen konnte, die mit live gehaltenen Reden an der Feier teilhaben würden.
Unter anhaltendem Beifall erklommen sie nacheinander die Treppe zur Bühne. In den ersten sechs Besucherreihen sprangen die Prominenten auf, um den Präsidenten zu begrüßen. Da waren alle Mitglieder des Kabinetts, unter ihnen auch die strahlende Nancy Petrelli, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs mit seinem ersten Berater, Major General Nelson Caspar, die Delegation der Kongressabgeordneten des Bundesstaates New York und die Botschafter von fünfzig Nationen.
Auf dem Podium applaudierte mit den anderen Generalstabsarzt Jesse Oxnard. Sein riesiger Schädel und der mächtige Schnurrbart dominierten seine unmittelbare Umgebung. Schließlich trat er ans Rednerpult, um die erste Ansprache zu halten.
17 Uhr
In der Nähe der Rückseite der Bühne standen Jon und Randi ein paar Meter voneinander entfernt.
Nachdem sie ihren etwas gehandicapten Verfolgern entkommen und vor etwa einer halben Stunde in Long Lake Village eingetroffen waren, hatten sie dort auf den belebten Straßen darüber nachgedacht, wie sie ihre äußere Erscheinung verändern konnten. Schließlich hatten sie auf der Hauptstraße, einem der wenigen Verkehrswege, der durch die Wildnis der Adirondack Mountains führte, ein Bekleidungsgeschäft, einen Spielzeugladen und eine Drogerie gefunden. Nachdem sie alles Nötige eingekauft hatten, zogen sie sich in öffentlichen Toiletten um. Als sie schließlich wieder auf der Straße standen, hatte Smith eine dunklere Hautfarbe und wirkte wie ein Mann aus dieser Gegend. Er trug weit geschnittene Hosen und einen karierten Jägermantel. Sein struppiger schwarzer Schnurrbart stammte von einer Kindermaske. Randi hatte ein mausgraues Kleid an, Schuhe mit flachen Absätzen und einen Strohhut über ihren blonden Haaren, die sie mittels Schuhcreme dunkel gefärbt hatte.
Es waren genug ausländische Beobachter und Journalisten auf den Straßen, um die Aufmerksamkeit der Leute in
Weitere Kostenlose Bücher