Ludlum Robert - Covert 01
E-Mails vom Prinz-Leopold-Institut, in denen aber nur von Fehlschlägen berichtet wurde, den neuen Virus zu identifizieren. Das waren nicht die Dateien, die Jon sehen wollte. Wenn es noch anderes Material aus dem belgischen Laboratorium gab, dann war es für die Augen der meisten Menschen komplett gelöscht und für immer verloren. An diesem Punkt hätten sie aufgegeben.
Marty dagegen startete ein neues Suchprogramm, das die Räume und Spalten zwischen den Daten inspizierte. Wenn neue Daten in ein System eingegeben wurden, wurden die alten überschrieben. War dies einmal geschehen, dann waren die Daten nicht zurückzuholen. Fand sein Programm keine Hinweise auf die Existenz einer anderen E-Mail des belgischen Labors, galt das wahrscheinlich auch für diesen Fall.
Marty warf den Kopf in den Nacken und streckte die Arme zur Decke. Jetzt hatte die Wirkung der Medikamente nachgelassen und ein Schauder durchfuhr ihn, während seine Gedanken eine an die Transparenz eines Diamanten erinnernde Klarheit annahmen. Seine Finger flogen förmlich über die Tastatur, um mit der Schnelligkeit seiner Gedanken mithalten zu können. Er ließ das Programm mit einem neuen Suchvorgang beginnen, der sich diesmal auf Bruchstücke des Namens oder der E-Mail-Adresse und andere Identifikationsmerkmale bezog. Das Programm suchte mit unglaublicher Geschwindigkeit und schon hatte es wirklich etwas gefunden - zwei kleine Bruchstücke des Namens des Labors:… opold Inst.
Mit einem Aufschrei folgte er den Spuren der E-Mail - Spuren von Daten und Zahlen, die einer Fährte glichen. Sie waren an die Zentralstelle für medizinische Datenerfassung des Staatlichen Gesundheitsamtes und dort an ein Terminal geschickt worden, das nur mittels des Passworts der Direktorin zugänglich war, einer gewissen Lily Lowenstein. Von dort verfolgte er den Weg zum Prinz-Leopold-Institut zurück.
Martys grüne Augen blitzten. »Da bist du ja, du Bastard!« In einer versteckten, tief in der Systemsprache des Instituts verborgenen Sicherungskopie einer Datei fand er eine Kopie des Berichts.
Er war via E-Mail vom Prinz-Leopold-Institut für Tropenmedizin an Stufe-Vier-Laboratorien auf der ganzen Welt geschickt worden. Nachdem er einen schnellen Blick darauf geworfen hatte, war ihm klar, dass er Jon weiterhelfen würde. Nun versuchte Marty, die E-Mail an einem ihrer Zielorte zu finden. Nach einer Weile runzelte er die Stirn. Irgendjemand hatte die E-Mail nicht nur vom Zentralcomputer des PrinzLeopold-Instituts gelöscht, sondern auch bei den verschiedenen Empfängern. Zumindest sah es so aus. Und damit hätten sich der durchschnittliche Computer-Freak, ein gewöhnlicher Hacker und selbst die meisten Experten für elektronische Sicherheit zufrieden gegeben.
Bei Marty Zellerbach lag der Fall anders. Die meisten Cyberspace-Spezialisten baten ihn um die Lösung unbekannter Probleme und neue Ideen, die noch nie in die Praxis umgesetzt worden waren. Wenn man von seinen Doktortiteln in Quantenphysik und Mathematik und seinem Abschluss in Literaturwissenschaft absah, hatte er keine weiteren Titel - er arbeitete nur für sich selbst. Wie ein gestrandeter Wal schnappte er in der realen Welt hilflos nach Luft, ein Versager, der Mitleid erregte oder Verachtung hervorrief. Doch in den tiefen elektronischen Gewässern des Cyber-Ozeans glitt er elegant und kraftvoll dahin. Hier war er der König - Neptun und geringere Sterbliche erwiesen ihm ihre Reverenz.
Glücklich lachend fuchtelte er mit seinem Finger wie ein Fechter herum, sprang dann auf und drückte auf eine Taste, um den Druckvorgang zu starten. Während er eine schiefe Pirouette drehte, begann der Drucker den Bericht auszuspucken. Für Marty war nichts so befriedigend wie die Lösung einer Aufgabe, an der alle anderen scheiterten. Es war nur eine kleine Entschädigung für sein einsames Leben und in stillen Augenblicken dachte er gelegentlich darüber nach.
Aber letzten Endes blickte er doch auf die geistig schwerfälligen und tumben Menschen herab, die über ihn richteten, während sie ein »normales« Leben mit »Beziehungen« führten. Guter Gott - auch wenn er am Asperger-Syndrom litt und Medikamente nehmen musste, glaubte er doch, in den letzten fünfzehn Jahren, in denen er seinen Bungalow kaum einmal verlassen hatte, mehr Beziehungen gehabt zu haben als die meisten Menschen in einem ganzen Leben. Was in Gottes Namen dachten diese Idioten da draußen, was er tat? Was glaubten sie, wofür es EMails gab? Sie waren
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