Ludlum Robert - Covert 01
Smith den Wagen parkte, rasten Martys Gedanken dahin, die durch die erstaunliche Bandbreite der landschaftlichen Eindrücke, die vom Meer über die Berge bis zum Farmland reichten, angeregt worden waren. Aber jetzt begriff er, dass sie fast am Ziel waren und dass er hier bleiben, schlafen und vielleicht eine Zeit lang leben musste.
Smith öffnete ihm die Tür und sein Freund stieg zögernd aus dem Wagen. Er wich vor der sanft im Wind schaukelnden Fußgängerbrücke zurück, die über einen dreißig Meter tiefen Abgrund führte.
»Ich werde keinen Fuß auf diese wackelige Konstruktion setzen.«
»Schau nicht nach unten. Komm schon.«
Die ganze Zeit über hielt Marty sich am Geländer fest. »Was haben wir in dieser Wildnis verloren? Da drüben ist doch nur dieser alte Schuppen.«
»Dort wohnt unser Mann«, antwortete Smith, während sie über den Weg auf das Blockhaus zugingen.
Marty blieb stehen. »Das ist unser Ziel? Keine fünf Sekunden werde ich in so einer primitiven Hütte bleiben. Ich bezweifle stark, dass es darin fließendes Wasser gibt. Und mit Sicherheit gibt es keine Elektrizität, also auch keinen Computer. Ich brauche jetzt nämlich unbedingt einen Computer!«
»Da gibt’s aber auch keine Killer«, erwiderte Smith. »Außerdem soll man nicht von der äußeren Erscheinung auf das Innere schließen.«
»Das ist ein Klischee«, schnaubte Marty.
»Geh schon.«
Unter den dicken Ästen der Kiefern tauchten sie in Dämmerlicht ein und der Duft der Bäume erfüllte die Luft. Vor ihnen lag still das Blockhaus und Marty schüttelte bestürzt den Kopf.
Plötzlich ließ sie ein hohes Knurren wie angewurzelt stehen bleiben.
Ein ausgewachsener Berglöwe sprang vor ihnen von einem Baum und kauerte sich etwa drei Meter vor ihnen hin. Das Tier schlug mit dem Schwanz und seine gelben Augen funkelten.
»Jon!«, kreischte Marty, der sofort die Flucht ergreifen wollte.
Smith packte ihn am Arm. »Warte.«
»Rühren Sie sich nicht, Gentlemen«, sagte irgendwo vor ihnen eine Stimme mit englischem Akzent. »Wenn Sie keine Waffe ziehen, wird er Ihnen nichts tun. Und ich vielleicht auch nicht.«
22
13 Uhr 47
In der Nähe von Lee Vining, High Sierras, Kalifornien
Von der überdachten Veranda des Blockhauses trat ein schlanker, mittelgroßer Mann, der ein automatisches englisches Enfield-Gewehr in den Händen hielt. Seine Worte hatte er an Smith gerichtet, aber sein Blick fixierte Marty Zellerbach. »Du hast nicht gesagt, dass du jemanden mitbringst, Jon. Ich mag keine Überraschungen.«
»Ich wäre glücklich, wenn wir wieder abhauen würden«, flüsterte Marty.
Smith ignorierte ihn. Peter Howell war nicht Marty Zellerbach. Seine Verteidigungsmaßnahmen waren tödlich und man musste sie ernst nehmen. »Pfeif das Kätzchen zurück und nimm die Knarre runter, Peter«, sagte Smith leise. »Marty kenne ich schon viel länger als dich und im Moment brauche ich euch beide.«
»Aber ich kenne ihn nicht«, erwiderte der drahtige Mann genauso leise. »Da liegt der Hase im Pfeffer, stimmt’s? Willst du damit sagen, dass du ihn hundertprozentig kennst und dass er sauber ist?«
»Niemand ist sauberer als er, Peter.«
Eine endlose Minute lang betrachtete Howell Marty. Der Blick seiner blassblauen Augen war kühl und so durchbohrend
wie ein Röntgengerät. Schließlich gab er ein undefinierbares, raues Geräusch von sich, das zugleich an ein Schnauben und ein Räuspern erinnerte. »Na komm, Stanley«, sagte er leise. »Bist ein gutes Kätzchen. Troll dich.«
Der Berglöwe wandte sich ab. Er blickte noch ein paarmal zurück, bevor er hinter dem Blockhaus verschwand. Es war, als ob das Tier darauf hoffte, zum Angriff aufgefordert zu werden.
Der Mann ließ das Gewehr sinken.
Mit strahlenden Augen beobachtete Marty, wie die große Raubkatze davonschlich. »Von einem dressierten Berglöwen
habe ich noch nie gehört. Wie haben Sie das geschafft? Das Tier hat sogar einen Namen. Wunderbar! Wussten Sie, dass afrikanische Könige Leoparden für die Jagd abgerichtet haben? Und in Indien haben sie Geparden beigebracht…«
Howell schnitt ihm das Wort ab. »Wir sollten im Haus weiterreden. Man weiß nie, ob man belauscht wird.« Er gestikulierte mit seinem Gewehr und trat zur Seite, um seinen Gästen den Vortritt zu lassen. Als Smith an ihm vorbeiging, hob der Engländer eine Augenbraue und zeigte auf Martys Rücken. Smith nickte beruhigend.
Das Innere des Blockhauses war größer, als man von draußen angenommen hätte, und es entsprach
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