Ludlum Robert - Covert 02
Ecke zu, bestellte sich einen Brandy und schloss kurz die Augen, als der Barmann ihm den Rücken zuwandte. Howell hatte schon genug Tote gesehen, Gewalt war ihm nicht fremd, im passiven Sinne ebenso wenig wie im aktiven. Aber was er da gerade auf dem Markusplatz miterlebt hatte, bereitete ihm Übelkeit.
Er leerte das Glas mit einem einzigen Schluck zur Hälfte. Als der starke Brandy seinen Kreislauf belebte und er spürte, wie sich seine Muskeln entspannten, griff er in seine Jacketttasche.
Jahrzehnte waren verstrichen, seit man Howell die Kunst der Taschendiebe gelehrt hatte, und als er jetzt den Zettel aus Dankos Tasche zwischen seinen Fingern spürte, war er froh, dass er nichts davon verlernt hatte.
Er las den Satz einmal, und dann ein zweites Mal. Obwohl er es besser wusste, hatte er gehofft, dass irgendetwas auf diesem Blatt ihm einen Hinweis dafür liefern würde, weshalb Danko so hingemetzelt worden war. Und dass sich vielleicht auch ein Hinweis auf den Schuldigen finden würde. Aber nichts, was er las, ergab einen Sinn, mit Ausnahme eines Wortes: Bioaparat.
Howell faltete das Papier wieder zusammen und steckte es ein. Er leerte sein Glas und bedeutete dem Barmann, dass er ihm nachschenken solle.
»Alles in Ordnung, Signore ?«, fragte der Mann beflissen, als er ihm das Glas hinstellte.
»Ja, danke.«
»Wenn Sie irgendetwas brauchen, sagen Sie es mir bitte.«
Howells eisiger Blick veranlasste den Barmann, eilig den Rückzug anzutreten.
Von dir brauche ich gar nichts, alter Junge. Ich brauche etwas ganz anderes.
Als Smith die Augen aufschlug, sah er sich verblüfft einer Anzahl grotesker Gesichter gegenüber, die auf ihn herunterstarrten. Er fuhr unwillkürlich zurück, bis er dann feststellte, dass er im Eingang zu einem Geschäft zusammengesunken war, in dem Masken und Kostüme verkauft wurden. Taumelnd richtete er sich auf und tastete sich instinktiv nach irgendwelchen Verletzungen ab. Nichts schien gebrochen, aber sein Gesicht brannte. Er strich sich mit der Hand über die Wange und sah, dass seine Finger blutig waren.
Zumindest bin ich am Leben.
Von den Killern, die in der Gondel zu ent fliehen versucht hatten, konnte man das nicht behaupten. Die Explosion des Bootes hatte auch die Identität seiner Insassen mit in die Ewigkeit befördert. Selbst wenn die Polizei Augenzeugen auftreiben konnte, würden sie wertlos sein: Professionelle Killer waren häufig Meister der Maske.
Der Gedanke an die Polizei machte Smith Beine. Wegen der Feiertage waren sämtliche Läden am Kanal geschlossen, und man sah kaum Leute. Aber die Sirene der Polizeibarkasse wurde immer lauter. Die Behörden hatten mit Sicherheit eine Verbindung zwischen dem Massaker auf dem Markusplatz und der Explosion im Kanal hergestellt. Die Zeugen würden ihnen sagen, dass die Mörder in diese Richtung gerannt waren.
Man könnte mich finden… dieselben Zeugen werden aussagen, dass ich bei Danko gesessen bin…
Die Polizei würde wissen wollen, welche Beziehung zwischen Smith und dem Toten bestand, weshalb sie sich getroffen und worüber sie geredet hatten. Sie würden sich daran festklammern, dass Smith dem amerikanischen Militär angehörte, und das Verhör würde noch eindringlicher werden. Und doch konnte Smith ihnen am Ende nichts sagen, was geeignet gewesen wäre, das Massaker zu erklären.
Smith richtete sich auf, wischte sich das Gesicht so gut er konnte ab und klopfte sich den Staub vom Anzug. Er machte ein paar vorsichtige Schritte und ging dann so schnell er konnte ans Ende der kurzen Gasse, überquerte eine Brücke und begab sich in den Schatten einer mit Brettern vernagelten Sequero, einer Werkstätte, in der Gondeln gebaut wurden. Einen halben Block weiter betrat er eine kleine Kirche, durchquerte lautlos den schattigen Innenraum und verließ sie durch eine Nebentür. Einige Minuten später tauchte er auf der Promenade neben dem Canale Grande in der dort ständig wogenden Menschenmenge unter.
Als Smith schließlich den Markusplatz erreichte, war der bereits abgeriegelt. Finster blickende Carabinieri mit Maschinenpistolen bildeten eine menschliche Barriere zwischen den Granitlöwen. Europäer, insbesondere Italiener, verstanden sich auf das, was nach einem offenkundigen Terroristenanschlag zu tun war: Sie blickten starr nach vorn und schoben sich am Schauplatz des Geschehens vorbei. Und das tat Smith auch.
Er ging über die Seufzerbrücke, passierte die Drehtür des Danieli Hotels und begab sich sofort in die Herrentoilette.
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