Ludlum Robert - Covert 03
beeindruckend war, wie beweglich dieser massig gebaute Mann war. »Wir befinden uns bereits in einem Krieg mit den Amerikanern, und zwar in jedem einzelnen Aspekt des Lebens und der Geschäftswelt, bloß nicht in militärischer Hinsicht. Aber militärisch könnten wir das auch gar nicht. Wir sind zu schwach, zu abhängig von all den Systemen der Amerikaner und sogar ihren modernsten Waffen. Wir haben Soldaten und Waffen, die wir ohne Washington weder richtig einsetzen, noch verlegen oder kontrollieren können.« Er blieb stehen und sah die im Raum Versammelten an, ließ seinen starren Blick von einem Gesicht zum anderen wandern. »Was würde denn zum Beispiel passieren, wenn es irgendeine extreme Krise mit Russland oder China gäbe und die amerikanischen Systeme, von denen wir alle abhängig sind, wären plötzlich unbrauchbar oder noch Schlimmeres? Was, wenn Washington die Kontrolle über seine eigenen Kommandosysteme verlieren würde? Wo wären wir dann? Wenn die Amerikaner aus irgendeinem Grund ihre Verteidigungsfähigkeit verlieren sollten, und wäre es auch nur auf kurze Zeit, dann wäre das auch unser Schicksal. Tatsächlich wären wir dann sogar noch schlimmer dran.«
Die Augen in Sir Arnolds ledernem Gesicht verengten sich plötzlich. »Wissen Sie etwas, was wir anderen nicht wissen, Roland?«
Roland La Porte wich seinem Blick nicht aus. »Ich weiß nicht mehr als Sie, Sir Arnold, und ich empfinde es als beleidigend, dass Sie diese Frage überhaupt stellen. Wenn jemand mehr wüsste, dann wären das Sie. Wir Franzosen haben keine ›spezielle Beziehung‹ zu den Amerikanern, so wie die Briten das tun. Aber dieser Ausfall der amerikanischen Energieversorgungsnetze gestern, dieses Eindringen eines Hackers, hätte leicht viel schlimmere Folgen haben können, und das ist doch ganz sicherlich eine Bestätigung dessen, was ich hier sage.«
General Moore starrte La Porte eine volle halbe Minute lang an. Dann schien ihm plötzlich etwas anderes einzufallen. Seine Muskeln lockerten sich, er lächelte und stand auf.
»Ich glaube, was es hier zu besprechen gab, ist jetzt erledigt. Was das Schicksal und die Zukunft Europas angeht, so sind wir im Vereinigten Königreich der Ansicht, dass diese fest und dauerhaft mit der der Vereinigten Staaten verbunden sind, ob uns das nun gefällt oder nicht.«
»Ah, ja.« La Porte lächelte kühl. »Das ist, glaube ich, das Konzept Ihres George Orwell.«
General Moores Gesicht rötete sich, und seine Augen bohrten sich erneut in die La Portes. Dann machte er ruckartig auf dem Absatz kehrt und ging mit langen Schritten aus dem Konferenzsaal.
»Was sollte das jetzt?«, wollte General Inzaghi wissen, und seine schwarzen Marmoraugen funkelten argwöhnisch.
»Eine Anspielung auf den englischen Roman ›1984‹«, erklärte Otto Bittrich grimmig. »In diesem Roman ist England Airport One eines panamerikanischen und britischen Commonwealth, das sich Ozeania nennt und für alle Zeit glücklich vereint ist. Gleichzeitig sind Europa und Russland miteinander verbunden und bilden eine Einheit, die Eurasia heißt. Der Rest nennt sich Eastasia – China, Indien, Zentralasien und sämtliche orientalischen Länder. Ich persönlich würde sagen, dass Großbritannien bereits Amerikas Airport One ist und wir ohne die Briten handeln müssen.«
»Und wie genau sollen wir handeln?«, wollte Gonzalez wissen.
La Porte hatte die Antwort darauf parat. »Wir müssen – und zwar jeder Einzelne von uns – unsere Nationen und EUDelegierten davon überzeugen, dass ein zukünftiges gemeinsames europäisches Militär die einzige Sicherheit dafür bietet, dass Europas Identität – und unsere Bedeutung – geschützt wird. Tatsächlich haben wir gar keine andere Wahl.«
»Sie sprechen vom Prinzip einer solchen Armee, General La Porte, nicht wahr?«, fragte General Gonzalez.
»Selbstverständlich, Valentin.« General La Portes Augen wirkten plötzlich verträumt. »Ich gebe ja zu, dass ich Idealist bin. Aber es ist ein Prinzip, auf das wir heute schon hinarbeiten müssen. Wenn die Amerikaner ihre eigenen Stromversorgungssysteme nicht mehr schützen können, wie können sie dann weiterhin uns beschützen? Wir müssen erwachsen werden, auf eigenen Füßen stehen.«
Hauptmann Darius Bonnard stand an einer windgeschützten Stelle, als der letzte von den fünf Hubschraubern der Generäle – der von General Inzaghi – in den Nachthimmel stieg. Die salzige Mittelmeerluft wirkte belebend, und er atmete tief ein, während er
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