Ludlum Robert - Covert 03
Ungewöhnliches gehört«, sagte Jon.
»Das solltest du auch nicht, mein Junge. Es ist ein Geräusch, als ob irgendwo Luft entweicht, mit einem winzigen Pfeifen im Hintergrund. Es scheint aus weiter Ferne zu kommen und klingt wie der Ruf eines Vogels, der schnell verhallt. In Wirklichkeit ist es eine gedämpfte Pfeife, deren Ton wie ein ganz natürliches nächtliches Geräusch klingt – wie der Wind, ein Tier, das sich im Schlaf umdreht, das Ächzen der Erde selbst, als würde sie sich auf einer Achse drehen. Ich habe das im nördlichen Iran an der Grenze zu den asiatischen Republiken der alten Sowjetunion mehr als einmal gehört, und dann in den Achtzigerjahren in Afghanistan in diesem barbarischen Krieg wieder. Das ist ein Signal, das die muslimischen Stämme in Zentralasien benutzen, vom KhyberPass bis zum Asow’schen Meer.«
»Der Halbmondschild?«, fragte Jon.
»Könnte sein. Aber niemand hat auf den Ruf geantwortet. Und da ich ihn kein zweites Mal hören konnte, habe ich mich wahrscheinlich getäuscht.«
»Wie oft hast du dich in solchen Dingen denn schon getäuscht, Peter?«, fragte Jon.
Das Klingeln des Telefons ließ sie zusammenzucken. Jon griff nach dem Hörer.
Fred Kleins Stimme: »Alles ist wieder online, aber die Spezialisten für Computer-Kriegführung sagen, dass möglicherweise sämtliche elektronischen Verschlüsselungscodes geknackt sind, und deshalb darf bis auf Weiteres niemand irgendwelche elektronischen Kommunikationsmittel benutzen. Und auch nichts, was per Funk übertragen wird, weil sie das leicht anzapfen könnten. Man ist jetzt dabei, sämtliche Codes zu ändern und Notmaßnahmen zu entwickeln, um sie besser zu schützen. Wir haben denen gesagt, dass nach unserer Ansicht ein DNS-Computer im Einsatz ist, und deshalb wird man sich mächtig Mühe geben. Was machen Sie in Madrid? Was haben Sie in Toledo gefunden?«
Jon berichtete ohne lange Vorrede: »Die Schwarze Flamme war bloß ein Hilfsorgan, das von jemandem engagiert wurde. Die wirkliche Macht hinter allem scheint der Halbmondschild zu sein. Und Émile Chambord ist am Leben. Unglücklicherweise hat der Halbmondschild sowohl ihn als auch seine Tochter und den DNS-Computer in seiner Gewalt.«
Entsetztes Schweigen am anderen Ende. Dann sagte Klein: »Sie haben Chambord gesehen? Wieso wissen Sie das von dem Computer?«
»Ich habe Chambord und seine Tochter gesehen und auch mit beiden gesprochen. Der Computer war nicht dort, wo die beiden gefangen gehalten wurden.«
»Wenn Chambord am Leben ist, erklärt das, warum die den Apparat so schnell zum Funktionieren gebracht haben. Und die Gefahr für die ganze Welt ist umso größer. Ganz besonders, wenn die Kerle auch die Tochter haben. Sie werden sie dazu benutzen, um Chambord unter Druck zu setzen.«
»Ja«, erwiderte Jon knapp.
Wieder Schweigen. »Sie hätten Chambord töten sollen, Colonel«, sagte Klein dann.
»Der DNS-Computer war nicht dort, Fred. Ich habe versucht, ihn lebend rauszuholen, damit er einen für uns bauen kann und wir uns wehren können. Woher wissen wir denn, was die von Chambord alles erfahren haben? Es kann doch sein, dass sie ihn gefoltert haben! Vielleicht reicht es aus, dass ein anderer Wissenschaftler ihn nachbauen kann.«
»Und was ist, wenn Sie keine zweite Chance bekommen, Jon? Was ist, wenn wir ihn oder den Apparat nicht rechtzeitig finden?«
»Das werden wir.«
»Gut, ich sage das dem Präsidenten. Aber wir beide wissen, dass es so etwas wie Wunder nicht gibt und dass es beim nächsten Mal wesentlich schwieriger sein wird.«
Jetzt war Jon mit Schweigen an der Reihe. Schließlich meinte er: »Ich werde nach meinem Gefühl handeln. Dafür bezahlen Sie mich. Wenn ich zu der Ansicht gelange, dass es mir nicht gelingen wird, Chambord rauszuholen oder den Computer zu vernichten, werde ich ihn töten. Macht Sie das glücklich?«
Kleins Stimme war so ausdruckslos und hart wie Beton.
»Kann ich mich auf Sie verlassen, Colonel? Oder muss ich jemand anderen schicken?«
»Es gibt sonst keinen, der das weiß, was ich weiß. Nicht am Anfang und ganz besonders nicht jetzt.«
Wenn das Telefon ein Fernsehtelefon gewesen wäre, hätten sie einander jetzt stumm angestarrt und abgewartet, bis einer von ihnen den Blick senkte. Schließlich konnte man aus dem fernen Pentagon einen tiefen Atemzug hören. »Sagen Sie mir, was es mit diesem Halbmondschild auf sich hat. Davon habe ich noch nie gehört.«
»Weil die Organisation recht neu ist und sich ihre Mitglieder bisher nicht haben
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