Lübeck
mehr
als erfüllt. Bei über 500 historischen Gebäuden und den fünf gotischen
Stadtkirchen griff die Possehl-Stiftung der finanziell angespannten Stadt unter
die Arme. Neben der Förderung lernschwacher Kinder wären die Erhaltung der
Löwen-Apotheke (→ Spaziergang 2), des Theaters (s. u.) oder die Kunsthalle
des St.-Annen-Museums (→ Spaziergang 2) wahrscheinlich Luftschlösser
geblieben.
Mit der Pfaffenstraße schräg gegenüber der Kirche durchläuft man eines der
ganz wenigen Gässlein des Zentrums, in denen kein einziges Haus
denkmalgeschützt ist. Dafür sitzt hier mein Lieblingsgrieche, der nicht nur
bei Spielen der griechischen Nationalmannschaft gern besucht ist: das Papadopoulos (→ Essen und Trinken).
Die sich anschließende Beckergrube war bereits 1238 eine wichtige Zufahrt
zum Hafen. Brau- und Backhäuser hatten dort zu Beginn des 14. Jh.
Hochkonjunktur: Die Seeleute mussten sich vor ihren Fahrten stärken, auch
alkoholisch. Heute ist im unteren Drittel der im Krieg gebeutelten Straße das
exquisite Wullenwever (→ Essen und Trinken) zu finden. Gleich am
Anfang der Straße, hinter einer hässlichen Kastenfiliale der Telekom, steht
eine Marmorstele . Sie erinnert an das
Geburtshaus vonThomas
Mann (ehemals Breite Str. 38), in dem dieser einen Teil seiner Kindheit
(1875–1882) zubrachte. Geniale Zitate, u. a. aus „Lübeck als geistige
Lebensform“ (1926), sind in die sternförmige Säule geschlagen. Thomas’
nicht minder genialer BruderHeinrich wurde einige
Hausnummern entfernt geboren: in derBreiten Str. 54, wo die
Familie bis 1872 wohnte.
Außerdem befindet
sich in derBeckergrube, etwas unterhalb
des Theaters (s. u.), der Stammsitz der Industriellenfamilie Possehl (Nr. 40). Das
verspielte Backsteingebäude lässt gleich erkennen, dass die erfolgsverwöhnte
Possehl-Gruppe mit 7.000 Angestellten in 80 Unternehmen noch immer in Saft und
Kraft steht. Die Büste des Firmengründers befindet sich im Theaterfoyer, das
ohne den Einsatz des Stadtbekannten wohl anders aussähe.
Spaziergang 3: Günter-Grass-Haus, Willy-Brandt-Haus und Heiligen-Geist-Hospital
Theater Lübeck
Theaterfreuden
Theater war früher, was heute Kino ist: Unterhaltung. Dabei gab es natürlich auch starke Werke, wie sich Thomas Mann erinnert, der auf dieser Bühne âein künstlerisches Kapital-Ereignisâ, âdie Begegnung mit der Kunst Richard Wagnersâ erleben durfte. Die Kunstbegeisterung war es auch, die den ZimmermannHeinrich Schröder 1752 veranlasste, ein Theater in Eigenregie zu bauen. Als das Gebäude baufällig wurde, legte die Casino-Gesellschaft 1857/58 den Grundstein für ein gröÃeres Schauspielhaus neben dem alten. Da es den Feuerschutzbestimmungen zu Beginn des 20. Jh. nicht mehr genügte â man dachte mit Angst an den Chicagoer Theaterbrand â, verfügte Wilhelm II. die SchlieÃung. 1907/08 entstand nach Entwürfen von Martin Dülfer das dritte Theater an der Stelle des ersten. In den Jugenstil-Sandsteinbau, der dem âWahren, Guten, Schönenâ dient (siehe Fassade), ist ein Figurenband eingehauen. Im mittleren Feld sieht man Apollo und die neun Musen, links die Komödie, rechts die Tragödie.
Theater Lübeck ,Beckergrube 10â14, Tel. 399600, www.theater-luebeck.de . Für Informationen zu Vorstellungen und Tickets â Kultur und Nachtleben.
Spaziergang 3:
Günter-Grass-Haus, Willy-Brandt-Haus und Heiligen-Geist-Hospital
Und noch mal:Königstraße
Es geht zurück auf die Königstraße, die im zweiten Abschnitt zur
Kulturmeile mit dicht gedrängten Sehenswürdigkeiten wird. Im neogotischen
Gebäude in Schlösschenform (Nr. 23) lebten diverse Ratsfamilien
(Warendorp, Pleskow, Basedow, Grentzin), während in Nr. 17 das Partout und die tribüHne (→ Kultur und Nachtleben) zu Hause sind. Gegenüber
befindet sich ein monumentaler Bau: die Reformierte Kirche (Do
11–16 Uhr, So 10–12.30 Uhr). Seit 1826 dient das Sandsteingebäude der
religiösen Minderheit, die erst mit der Fremdherrschaft der Franzosen
rechtlich gleichgestellt war. Vorher besaßen auch ihre reichsten Mitglieder
kein Bürgerrecht. Heute gibt es etwa 950 Reformierte in Lübeck und Umgebung.
Im September 1847 fand in dieser Saalkirche die zweite Germanistenversammlung
unter der Leitung von Jacob Grimm statt, eine Tagung von 170 Juristen,
Sprachforschern und Historikern. Inzwischen sind in der reformierten
Kirche die Butendach-Bibliothek mit 4.500
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