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Lübeck

Lübeck

Titel: Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erlangen Michael Müller Verlag
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verspüren, können Sie einige Häuser weiter in Buthmann’s Bierstube (Nr. 3) zuschlagen. Angeblich sucht sogar der Herr Nobelpreisträger die verqualmte Spelunke auf; zumindest gibt es im Gastraum ein Bild von ihm. Aber Vorsicht – das Buthmann’s hat trotz aller Patina (man kann sogar Soleier bestellen) den Charme einer besseren Eckkneipe und die kettenrauchenden Gäste sind gern unter sich!

Spaziergang 3:
Günter-Grass-Haus, Willy-Brandt-Haus und Heiligen-Geist-Hospital
Günter-Grass-Haus
    Das Museum des Literaturnobelpreisträgers
    „Entsetzt sehen wir, dass der Kapitalismus, seitdem sein Bruder, der
Sozialismus, für tot erklärt wurde, vom Größenwahn bewegt ist und sich
ungehemmt auszutoben begonnen hat.“ Für solche Sätze liebt und hasst man
ihn.Günter Grass war
das Gewissen Deutschlands – und will es noch immer sein (nachdem sich das
Rauschen im Blätterwald über den verführbaren Teenager wieder gelegt hat).
Doch nicht um Politisches geht es bei dieser kleinen und feinen Werkschau. Die
Räume zeigen die Doppelbegabung des Nobelpreisträgers, der neben großer
Literatur auch eindrucksvolle Grafiken, Radierungen, Aquarelle und Skulpturen
geschaffen hat. Grass ist bekannt dafür, dass er Metaphern gerne gestalterisch
„ausprobiert“.
    Nach dem winzigen Innenhof mit dem „Butt im Griff“ (Bronze, 2002)
gelangt man ins Hauptgebäude und erhält dank einiger Selbstporträts und den
teilweise düsteren Schnecken-, Nonnen-, Krebs- und Rattenbildern (u. a. eine
„Leseratte“, Kaltnadelradierung von 1979) einen guten Einblick in sein
enormes Schaffen. Auch das Drehbuch der „Blechtrommel“, die Auszüge aus
dem Originalmanuskript „Im Krebsgang“ (2002), die Druckfahnen von „Mein
Jahrhundert“ (1999) und mehrere Touchscreens mit verständlichen Gedichten
verraten die vielfältigen Aktivitäten des Sprachanarchisten und bekennenden
SPDlers, dem schon alles – am liebsten Pornografie und Blasphemie –
vorgeworfen wurde.
    Wer an O-Tönen interessiert ist, wird im ersten Stock fündig. Auszüge der
Nobelpreisrede und die wunderbare Reflexion über den Ruhm sind zu hören.
Ferner gibt es in diesem Raum regelmäßige Sonderausstellungen mehrfach
begabter Künstler: Arbeiten von Hermann Hesse, Wilhelm Busch, Friedrich
Dürrenmatt, Robert Gernhardt und sogar Janosch waren bereits zu sehen.

    Günter Grass
    Zwar nicht in Lübeck geboren, doch mit der Stadt verbunden, fühlt sich
Günter Grass. „Lübeck hat sehr viel Ähnlichkeit mit Danzig vor der
Zerstörung“, erklärt Grass der ansässigen Zeitung anlässlich seines 80.
Geburtstages. „Wenn man seine Heimat verloren hat, sucht man sich gern
Regionen, in denen es ähnlich aussieht.“ Die umstrittene Moralinstanz, das
wechselhafte Gewissen Deutschlands, der politische Bürger, selbstgerechte
Redner und verdiente Nobelpreisträger wohnt seit 1995 in der Nähe Lübecks,
im 24 km entfernten Behlendorf, und hat seit 2002 ein Sekretariat in der
Glockengießerstr. 21. Das nach ihm benannte Museum „ist somit nicht an
beliebiger Stelle entstanden, sondern an einem Ort, der einen Bezug zu Grass
hat“ und an dem sich der Autor, nach Angaben der Initiatoren, „häufig
aufhält“.
    In Danzig-Langfuhr am 16.10.1927 als Sohn eines Kolonialwarenhändlers
geboren, wird der Steinmetz, Grafiker und Bildhauer dank des imposanten Romans
„Die Blechtrommel“ (1959) einer der berühmtesten Schriftsteller deutscher
Zunge. Von damals bis heute vermischen sich private, politische und
künstlerische Erfolge und Krisen. Ab 1961 macht er Gebrauch von der Pflicht
zur Einmischung und beteiligt sich – auf eigene Kosten! – bei weit über
100 Wahlveranstaltungen für die SPD, v. a. zur Unterstützung des Lübeckers
Willy Brandt. Obwohl Grass 1993 aus der SPD austritt, setzt er sich immer
wieder für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit ein; die Themen
zahlreicher Werke – auch die seiner bisweilen herausragenden bildenden Kunst
– handeln nicht mehr nur von der (NS-)Vergangenheit, sondern auch vom Elend
der Dritten Welt und der globalen Umweltzerstörung. In seinem langen Leben ist
der Lyriker, Dramatiker und Romancier ein Mitglied der Gruppe 47, sah
zahlreiche Verfilmungen seiner Bücher und schuf neben der die Zeit
überdauernden „Danziger Trilogie“ („Blechtrommel“, „Katz und
Maus“, „Hundejahre“) die poetisch starke Novelle „Im Krebsgang“
(2002).
    Im Prinzip wäre Günter Grass also sehr zu loben. Doch dann

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