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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Ein Kurier werde nachher den Auflösungsvertrag bringen, den Stachelmann bitte unverzüglich unterschreiben und dem Kurier gleich wieder mitgeben solle. Die Vertragsauflösung erfolge natürlich pro forma.
    Als Schmid aufgelegt hatte, schlug Stachelmann mit der Hand auf den Tisch. »So ein verfluchter Feigling. Das hättest du hören sollen.«
    »Was ist?«, fragte Anne.
    »Schmid will den Buchvertrag auflösen. Er wird erpresst, hat einen Brief gekriegt mit aus der Zeitung ausgeschnittenen Buchstaben, wie in einem Fernsehkrimi. Behauptet er jedenfalls.«
    »Zur Vertragsauflösung gehören zwei«, sagte Anne.
    »Der würde einen Weg finden, wie es einseitig geht. Nein, wenn der mein Buch nicht mehr will, dann kriegt es ein anderer Verlag.«
    »Den du aber erst mal finden musst. Die müssen lesen und überlegen, und dann könnte es doch sein, dass sie auch Angst haben und unter einem Vorwand ablehnen. Passt nicht ins Verlagsprogramm oder ähnlicher Unsinn. Auf jeden Fall verlierst du Zeit.«
    »Natürlich, aber das ist mir im Augenblick nicht so wichtig.« So gut wie gar nichts war ihm wichtig. Wenn er nur diese Schüsse aus dem Kopf bekommen könnte.
    »Es wäre aber wichtig, wenn deine Arbeit bald erscheint.«
    Er winkte ab. »Ob sie erscheint oder nicht, es ändert nichts daran, dass ich bald arbeitslos sein werde. Arbeitslos«, wiederholte er, schließlich musste er sich an das Wort gewöhnen.
    »Quatsch«, sagte Anne. »Bohming ...«
    »Bohming lässt mich fallen wie eine heiße Kartoffel. Gerade jetzt wäre er mich lieber früher als später los. Der hat Schiss, wegen mir wurde geschossen, also muss ich hinauskomplimentiert werden. Und Nachfolger von dem werde ich sowieso nicht.«
    »Aber er hat es doch versprochen.«
    »Na und? Denk an den Griesbach, der hätte es werden sollen.« Aber Griesbach wurde nicht der Nachfolger, weil er tot war.
    »Du hast ja auch Bohmings Geduld arg strapaziert.«
    Stachelmann zuckte die Achseln und antwortete nicht. Sie hatte recht. Er hatte die Abgabe seiner Habilschrift immer wieder verschoben. Und Bohming hatte den Druck auf Stachelmann zunächst eher langsam erhöht und ihm schließlich doch ein Ultimatum gestellt. Natürlich war Stachelmann gekränkt gewesen, aber insgeheim gab er zu, ohne das Ultimatum säße er wahrscheinlich immer noch an der Arbeit. Aber dann hätte niemand auf ihn geschossen und eine Hetzjagd im Internet auf ihn veranstaltet. Diese verdammte Habilschrift. Sie hatte ihn den Schlaf gekostet, als er daran saß, und sie kostete ihn nun womöglich das Leben. Vielleicht sollte er das als Fingerzeig einer höheren Instanz betrachten, dass er nie Geschichtsprofessor würde. Er war schon privilegiert genug, hatte immer noch eine Stelle, während Tausende von Historikern arbeitslos waren und nicht mal als Taxifahrer genommen wurden.
    »Aber alle sagen, die Arbeit sei hervorragend, geradezu sensationell.«
    »Du musst mich nicht trösten. Ich weiß, was fehlt und was ich besser hätte darstellen können. Ich habe nach der Verteidigung nicht mehr hineingeschaut in das Manuskript. Es war eine Horrorvorstellung, dass der Verlag mir irgendwann die Druckfahnen schicken würde und ich sie lesen müsste. Vielleicht ist es besser so, wie es ist. Brauch ich das alles nicht mehr zu lesen. Vielleicht hätte ich es gar nicht geschafft oder wenigstens Depressionen bekommen.«
    Anne schüttelte kaum merklich den Kopf. »Also, falls du auf meine Meinung Wert legst: Ich habe deine Arbeit gelesen und finde sie großartig. Ich habe lange nicht mehr so etwas Gutes gelesen.«
    »Gewiss«, sagte Stachelmann. Er glaubte ihr nicht. »Erstaunlicherweise hast du was für mich übrig, und das hat dir dein Urteilsvermögen geraubt.«
    »Quatsch«, sagte sie. Aber es klang nicht so, als traute sie sich zu, ihn umzustimmen. »Also, ich muss jetzt was essen. Kommst du mit zum Vietnamesen?«
    Stachelmann winkte ab. »Keinen Hunger.«
    »Dein Hungerstreik bringt dich auch nicht weiter«, sagte sie, erhob sich und verließ das Zimmer.
    Erstaunlich, dass ich ihr noch nicht über bin. Sie hält es immer noch mit mir aus, trotz des Ärgers, den sie mit mir hat. Wenn man es genau betrachtet, bin ich ungenießbar, manchmal sogar für mich selbst. Ich komme mit mir selbst nicht aus, aber sie schafft es.
    Er saß auf seinem Schreibtischstuhl und starrte zum Fenster hinaus. Alles war grau. Gegen das Licht sah er die Regenbindfäden. Er stand auf und trat ans Fenster. Sofort meldete sich die Angst. Aber er

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