Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
und verschmiert. Der Mann roch nach Öl. Er schaute sich um, tippte mit dem Finger gegen den Schirm seiner Mütze, auf der das Logo eines Sportartikelherstellers prangte. Der Dreisternepolizist wies auf die Tür von Brigittes Wohnung, sagte aber kein Wort. Um keinen Preis wollte er sich mehr als nötig mit diesem Unsinn gemeinmachen. Der Schlüsseldienstmann brauchte ein paar Sekunden, dann sagte er: »Bitte sehr! Das Schloss hat's überlebt. Rechnung folgt.« Er ließ den Dreisternepolizisten einen Arbeitszettel unterschreiben und nahm zwei Stufen auf einmal, als wäre er froh, mit der Sache nichts mehr zu tun zu haben.
Der Dreisternepolizist drückte die Tür auf und ging hinein. Der Kollege folgte. Als Stachelmann in den Flur trat, sagte der Dreisternepolizist: »Sie bleiben draußen!«
Stachelmann setzte sich wieder auf die Stufe und versuchte zu lauschen, aber die beiden Beamten sagten nichts.
Sie brauchten nur wenige Minuten, dann baute sich der Dreisternepolizist vor ihm auf: »Niemand da, alle ausgeflogen.« Er rümpfte die Nase. »Sind ja nette Leute, mit denen Sie verkehren.« Er schloss die Tür zu Brigittes Wohnung, winkte dem Kollegen und stieg die Treppe hinunter. »Der Herr verkehrt mit Steinewerfern und Genossen«, sagte der Dreisternepolizist zu dem anderen und wies im Hinuntergehen mit dem Daumen über dem Kopf zurück auf Stachelmann.
Die Blondierte stand wieder in der Tür. »Und nun?«, sagte sie.
Stachelmann erwiderte nichts. In seinem Kopf arbeitete es. Er ärgerte und freute sich zugleich. Brigitte war nichts passiert, aber sie hatte ihn versetzt. Er saß und wartete. Vielleicht erschien sie bald, oder wenigstens ihr Kommilitone.
»Na, kommen Sie rein«, sagte die Blondierte. »Wir können ja horchen, ob jemand kommt.« Ihre Neugier siegte über ihre Abneigung.
»Nein danke«, sagte Stachelmann. Sie würde ihn ausfragen, dummes Zeug reden, und außerdem stank es in der Wohnung nach ihrem Parfüm.
»Pfff«, machte sie, sammelte die Tassen ein, die die Polizisten auf die Treppe gestellt hatten, und verschwand in ihrer Wohnung. Stachelmann überlegte, ob er draußen spazieren gehen sollte; solange er in Sichtweite des Eingangs blieb, würde er nichts verpassen. Aber er müsste wieder klingeln, um ins Haus zu kommen, wenn es regnete oder er sich nicht gut fühlte. Also blieb er sitzen, unter Beobachtung der Blondierten, deren Türspion sich immer wieder verdunkelte, wenn sie schaute, ob sich etwas tat.
Stachelmann überlegte, ob er richtig gehandelt hatte. Er würde Taut anrufen und ihn informieren, was geschehen war. Taut würde wissen wollen, welcher Spur er folgte. Die Kripo sah es nicht gern, wenn Amateure sie vorführen wollten. Was ja auch so gut wie nie gelang. Doch Stachelmann hatte manchmal eine bessere Nase gehabt als die Kriminalisten. Sicher, dabei hatte ihm auch sein Geschichtswissen genutzt. Verbrechen der Vergangenheit, die nicht aufgeklärt werden, erzeugen neue Verbrechen, die Täter begehen, um etwas zu vertuschen, eine Lebenslüge aufrechtzuerhalten, um falsche Spuren zu legen, weil das zweite Verbrechen leichter fällt, oder was es sonst für Gründe geben mochte. Aber er bildete sich nichts darauf ein, dass er schon recht behalten hatte gegen die Polizei. Und wie war es in diesem Fall? Sollte er zu Hause herumsitzen und warten, bis sein Mörder kam?
Er schluckte zwei Diclofenac, stand auf und streckte sich. Das Gesäß tat ihm weh vom Sitzen auf der Holzstufe. Er ging hin und her zwischen den beiden Türen, die Blondierte lugte immer noch hinaus. Stachelmann war versucht, im passenden Augenblick gegen ihre Tür zu schlagen. Aber er unterließ es, es wäre albern gewesen. Sollte sie glotzen, bis ihr die Augäpfel rausfielen. Er stieg hinauf in den fünften Stock und wieder hinunter ins Erdgeschoss. Dann wieder in die dritte Etage. Er setzte sich ein paar Minuten, bald verschlimmerten sich die Schmerzen, er stand auf und ging wieder hin und her wie in einer Zelle. Er achtete nicht mehr auf den Türspion.
Endlich hörte er, wie die Haustür geöffnet wurde, Schritte im Treppenhaus, sie näherten sich rasch. Es war Georgie, Brigittes Mitbewohner. Der blieb auf einer Stufe stehen und starrte Stachelmann an. »Ist sie nicht da?«
Stachelmann schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, sie war mit Ihnen verabredet, und sie hat auch auf Sie gewartet. Ob sie noch einmal weggegangen ist?«
Stachelmann zuckte die Achseln.
»Und Sie warten hier die ganze Zeit?« In seiner Stimme lag
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