Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
Sorge.
»Ja«, sagte Stachelmann. »Es ist mir wichtig.«
»Klar«, sagte Georgie.
Stachelmann fragte sich, was Georgie wusste. Aber es gefiel ihm, der machte sich Sorgen um Brigitte.
»Dann kommen Sie erst mal rein«, sagte Georgie.
»Die Polizei war drin.«
»Was?«
»Ich hab sie gerufen, weil ich fürchtete, Brigitte ...«
»Läge als Leiche drinnen?«
Stachelmann nickte. Was macht mich so befangen?
»Scheiße, aber nun ist es passiert. Da hoffen wir mal, dass Gitte ihre Sachen ein bisschen aufgeräumt hat.« Der Unterton verriet, dass Georgie nicht daran glaubte.
Georgie öffnete die Tür und betrachtete das Schloss, an dem aber keine Spuren zu entdecken waren. Sie gingen hinein, und während Stachelmann im Flur wartete, untersuchte Georgie die Wohnung. »Ob die was mitgenommen haben?«
»Nein«, sagte Stachelmann. »Das hätte ich ja gesehen.«
»War die Schnepfe von gegenüber in der Wohnung?«
»Sie wäre es gern gewesen.«
Georgie lachte.
Stachelmann betrachtete das Jim-Morrison-Plakat. Was mochte eine junge Frau finden an Jim Morrison, der so lange schon begraben lag in Paris? Dann betrat er Brigittes Zimmer. Der Schreibtisch war unter Papier, Zeitschriften und Büchern begraben. Eine rote LED zeigte, dass der Computer eingeschaltet war. Er rief Georgie. »Gucken Sie doch mal, ob sie eine Mail bekommen hat, eine dringende Verabredung oder so.«
Georgie schob die Maus hin und her, um den PC aufzuwecken. Er öffnete das Mailprogramm und überflog die Mails des Tages. »Nichts, nur Quatsch.«
»Hat sie einen Freund?«
»Mit der hält es doch keiner lange aus.«
Stachelmann staunte ihn an.
»Hübsch verpacktes Ekelpaket.« Er grinste. »So weit ich das beurteilen kann. Ich hab's ja nicht so mit Mädchen. Hast du schon mal mit ihr diskutiert?« Er war zum Duzen übergegangen.
Stachelmann nickte und zog die Augenbrauen zusammen.
»Dann weißt du ja Bescheid.«
»Du übertreibst.«
»Bei dir hat sie vielleicht nicht ganz so vom Leder gezogen wie gegenüber anderen. Vielleicht hat sie vor dir sogar ein bisschen Respekt. Obwohl das eigentlich unmöglich ist.«
Stachelmann überlegte, warum es unmöglich sein sollte. Weil man vor ihm keinen Respekt haben konnte? Oder weil sie vor niemandem Respekt hatte?
»Sie hat nicht mal einen Zettel hinterlassen. Ist eigentlich nicht ihre Art, Termine sind ihr heilig. Komm, wir setzen uns in die Küche.«
In der Küche öffnete Georgie eine Flasche Rotwein mit Schraubverschluss, Stachelmann nahm auch ein Glas. Er nippte, der Wein war mäßig.
Georgies Finger trommelten auf der Tischplatte. »Und vergessen hat sie eure Verabredung auch nicht. Hat mir noch davon erzählt. Dass es wichtig sei. Sie war ziemlich aufgeregt. Ehrlich gesagt, ich mache mir Sorgen.«
Stachelmann stand auf. »Ich schau mir mal das Telefon an.«
Georgie runzelte die Stirn. »Klar, wenn du meinst.«
Das Telefon stand im Flur auf einer Kommode mit zwei Schubfächern. Stachelmann drückte die Wahlwiederholungstaste. Georgie stellte sich neben ihn.
»Die letzte Nummer, die gewählt wurde, ist ein Anschluss in der Stadt.« Er sagte die Nummer. »Kennst du die?«
Georgie schüttelt den Kopf.
»Du hast die also nicht gewählt.«
»Nein, ich war die ganze Zeit auf Achse. Auch weil ich glaubte, es sei ihr lieber so.«
»Gut.« Stachelmann notierte die Nummer auf einem Block, der neben dem Telefon lag. »Nur zur Sicherheit.«
Dann drückte er die Ruftaste. Das Freizeichen ertönte, dann klackte es.
»Ja?« Eine Männerstimme, kräftig.
»Mit wem spreche ich, bitte?«
»Mit wem spreche ich?«
»Stachelmann, ich bin in der Wohnung von Brigitte Stern.«
»Und was machen Sie da?«
»Ich bin mit Brigitte verabredet.«
»Schön für Sie.«
»Brigitte hat Sie angerufen.«
»Ja.«
»Sie ist verschwunden.«
Schweigen. Dann: »Verschwunden?«
»Ja. War sie bei Ihnen?«
»Heute nicht.«
»Darf ich Sie besuchen?«
»Warum?«
»Wir machen uns Sorgen um Brigitte. Wir wissen nicht, wo sie ist.«
»Wir?«
»Georgie und ich.«
»Wer ist Georgie?«
»Ihr Mitbewohner.«
Schweigen. Dann: »Ach so, stimmt, von dem hat sie mir erzählt. Ich weiß aber nicht, wo sie ist.«
»Aber sie hat heute mit Ihnen telefoniert. Es war ihr letztes Gespräch, jedenfalls im Festnetz.«
»Ja, sie hat angerufen.«
»Um was ging es?«
Schweigen. Dann: »Passen Sie auf. Ich verrate Ihnen meine Anschrift, und Sie kommen, sagen wir, morgen Nachmittag. So gegen halb vier.
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