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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Einverstanden?«
    »Gut.«
    Der Mann nannte seine Adresse. Er hieß Manfred Kraft und wohnte in Steilshoop. Stachelmann kannte die Betonsilos, in denen die Leute dort eingepfercht waren. Im Politikerdeutsch hieß das »Problemgebiet«, aber man musste kein Soziologe sein, um zu verstehen, warum dort manchmal der Teufel los war. »Aber kommen Sie allein.«
    »Warum?«
    »Ich bin ein kranker Mann, es strengt mich an, mit Leuten zu reden. Und zwei, das ist mir zu viel.«
    »Gut«, sagte Stachelmann. »Ich komme allein. So, wie Sie es wünschen.« Er betonte allein, damit Georgie wusste, woran er war.
    Aber ein kranker Mann hatte doch nicht so eine kräftige Stimme.
    Nach dem Telefonat setzten sie sich wieder in die Küche. Georgie schaute Stachelmann böse an. Aber er sagte nichts. Sie tranken Wein, Stachelmann ließ seine Augen über die Einrichtung schweifen. Es war alles heruntergekommen. Eine Tür im Küchenschrank stand halb offen. Daneben ein Plakat mit einem Aufruf zu einer Demonstration gegen Nazis in Neumünster, im Mai vor drei Jahren.
    »Dann geh halt allein«, sagte Georgie. »Es bringt sowieso nichts. Ihr ist was passiert, kein Zweifel. Etwas Schlimmes.«

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    6
    Als er seinen alten Golf auf die Autobahn lenkte, fiel ihm heiß ein, dass er seine Mutter versetzte. Stachelmann schaute auf die Uhr, es war kurz vor drei. Sie hatte bestimmt schon den Tisch gedeckt im Wohnzimmer und Tee gekocht. Er fühlte sich elend. Immer dachte er nur an seine Dinge, alles andere zählte nicht. Du bist ein Autist. Auf dich kann man sich nicht verlassen. Aber es geht doch um dein Leben? Gewiss, aber das kann einen nicht daran hindern, zuverlässig zu sein. Er kramte nach seinem Handy. Als er es gefunden hatte, wählte er die Nummer der Mutter. Als sie abgenommen hatte, sagte er: »Tut mir leid ...«
    »Du kommst nicht«, unterbrach sie ihn.
    »Ich habe einen dringenden Termin. In letzter Minute«, log er.
    »Wenn das so ist.« Sie klang traurig.
    »Es geht um diese Schüsse an der Uni.«
    »Überlass das doch der Polizei. Du musst dich nicht immer einmischen.«
    »Diese Schüsse, die galten mir«, sagte er.
    Sie atmete durch. »Das habe ich geahnt. Du ziehst diese Dinge an. Irgendetwas tust du, dass dir immer so etwas passiert. Und warum?«
    »Das will ich herauskriegen. Ich treffe jetzt einen Mann, der vielleicht etwas weiß.« Stachelmann trat hart auf die Bremse, die Vorderreifen quietschten. Er hatte nicht aufgepasst, fast wäre er in einen Lastwagen aus Polen hineingefahren.
    »Ich sehe schon, ich kann es dir nicht ausreden. Pass auf dich auf.« Es klickte. Er fühlte sich noch schlechter.
    Er kam zu früh und musste vor dem Betonblock warten, in dem Kraft wohnte. Er überlegte, was er ihn fragen könnte. Was konnte der Mann wissen? In welchem Verhältnis stand er zu Brigitte? Er hatte schon vor der Abfahrt bei ihr angerufen, aber nicht einmal Georgie hatte abgehoben. Nun versuchte er es noch einmal. Diesmal ging Georgie dran. Er klang müde. Aber in dem »Ja?«, mit dem er sich meldete, glaubte Stachelmann die Hoffnung zu hören, Brigitte würde anrufen.
    »Stachelmann.«
    »Ach, du bist es.«
    »Sie ist also nicht gekommen und hat sich nicht gemeldet?«
    »Nein.«
    »Wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden, ja?«
    »Du kannst gleich damit anfangen, wenn du mit dem Kerl gesprochen hast.«

    Um halb vier stand er vor der Tür des Betonhochhauses und suchte nach dem Namen. Endlich fand er Kraft. Er klingelte, und als sich nichts tat, klingelte er noch einmal. Er fürchtete, auch Kraft könnte verschwunden sein. Aber dann hörte er: »Wer da?«
    »Stachelmann.«
    Es summte, das Schloss klackte, als er die Tür aufdrückte. »Elfter Stock«, erklang es aus der Gegensprechanlage. Er wartete auf den Aufzug, die Türen waren verschmiert. Briefkästen im Flur waren aufgebrochen. Einer war verkokelt. Auf dem Boden lagen Zeitungen und Werbeprospekte.
    Endlich klingelte der Aufzug. Er betrat die Kabine und drückte auf den Knopf mit der Prägung 11. Die Tür schob sich zu. Ein ekliger Gestank lag in der Luft, es war Urin. Ihm wurde übel. Der Aufzug schien ewig lang zu brauchen. Endlich hielt er, glücklicherweise ohne Zwischenstopp. Er sah sich um, drei Wohnungstüren, eine war angelehnt. Auf einem verschnörkelten Messingschild las er Kraft. Er klopfte und drückte die Tür auf. Tabakgeruch.
    »Kommen Sie rein!«, hörte er. »Letzte Tür.«
    Er fühlte sich unsicher. Was erwartete ihn? Die Angst lauerte. Er ging auf

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