Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
...«
»Halt, nicht so flott.«
»Ein Mann, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass eine Frau mit einem G3 auf Leute schießt. Natürlich ist das nicht auszuschließen. Aber ich unterstelle, der Schütze im Von-Melle-Park ist Brigittes Mörder, und nur ein Mann kann sie in mein Büro geschleppt und so zugerichtet haben. Ich gebe aber zu, es ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich um eine Frau handelt. Aber es ist nicht sinnvoll, davon auszugehen. Akademische Ausbildung wegen der Tatorte. Nichts davon kann ich beweisen, und doch liegt es auf der Hand.«
»Gut, so weit kann ich folgen. Allerdings arbeiten nicht nur Akademiker an der Uni.«
»Weiter. Das Ziel seiner Aktionen ist, mir zu schaden. Er will nicht, dass meine Arbeit veröffentlicht wird. Das würde meine Karriere beenden, bevor sie richtig angefangen hat. Es gibt zwar keinen Veröffentlichungszwang mehr, aber ein Professor, der seine Habilschrift nicht publiziert, bekommt keine Stelle. Der Typ meint die Arbeit oder mich. Ich wüsste nicht, wem die Arbeit schaden sollte. Gut, da gibt es diesen E.T., der wegen irgendeiner verquasten Antifaschismusdoktrin gegen meine Arbeit ist. In der werden natürlich nicht die Legenden erzählt, mit denen sich die Kommunisten nach der Befreiung gerühmt haben. Aber ich bestreite doch nicht, dass sie mutig waren und in manchen schrecklichen Situationen keine Wahl hatten als die zwischen Pest und Cholera. Da kann man einem schlecht vorwerfen, sich für die Pest entschieden zu haben. Aber sie waren natürlich auch im Lager dogmatisch und intolerant. Leute aus anderen linken Gruppen, Trotzkisten etwa, taten gut daran, sich nicht zu bekennen, sonst wäre es ihnen schlecht ergangen. Gewissermaßen die Fortsetzung der Moskauer Prozesse im KZ. Ich bin überzeugt, Brigitte war E.T. Georgie und Genossen wissen das, aber werden es mir kaum beichten. Obwohl, jetzt ist alles anders. Als Brigitte sich mit mir verabredete, wollte sie es wohl gestehen. Auch, dass sie die Kopie meiner Arbeit geklaut hat. Aber wegen so was und diesem Antifakram bringt man keinen um. So verrückt kann man gar nicht sein. Außerdem bin ich keineswegs der Erste, der auf diese Fragen hinweist, und ich tue es vergleichsweise zurückhaltend.«
»Du darfst dich nicht so aufregen.«
»Ich bin doch nicht krank. Mir tut es gut, mich aufzuregen. Es bringt das Hirn in Schwung.«
»Natürlich bist du nicht krank. Aber ich wundere mich, wie schnell du diesen Schock wegsteckst. Oder eben nicht. Wenn er zurückkommt, dann haut er dich vielleicht um. Außerdem wissen wir, dass dieser Mörder es ernst meint. Du bist in Gefahr.«
»Dass er es ernst meint, wusste ich schon nach den Schüssen auf mich ... Entschuldige, ich wollte nicht zynisch sein. Der setzt mir nicht die tote Brigitte ins Büro, um mich dann auch umzubringen. Ich weiß nicht, was er will. Aber umbringen will er mich nicht.«
»Noch nicht. Aber wenn du ihm zu nahe kommst ...«
»Noch nicht«, wiederholte Stachelmann. »Und nahe gekommen bin ich ihm leider nicht.«
»Und dieser Georgie, glaubst du, der kann dir helfen, zugedröhnt, wie der ist?«
»Ist er nicht immer.«
Sie schwieg eine Weile. Er sah in ihrem Gesicht, wie es in ihr arbeitete. »Lass die Finger von dieser Sache. Weißt du, diese Ines-Geschichte, das konnte ich noch irgendwie verstehen. Und damals mit dieser Mordserie, als Ossi dich um Hilfe bat, das war klar. Und nachdem Ossi tot aufgefunden wurde, da musstest du was tun. So weit habe ich alles akzeptiert, wenn auch manchmal nicht sofort. Aber diese Geschichte ist anders. Du legst dich mit einem an, der nicht die geringsten Skrupel kennt. Der geht über Leichen. Es kommt ihm auf eine mehr nicht an. Er ist grausam, in unglaublicher Weise grausam. Ich habe das in deinem Büro nicht gesehen, aber allein eine grobe Beschreibung lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Das ist eine andere Preislage als die anderen Verbrecher, mit denen du zu tun hattest.«
Stachelmann spürte, wie Müdigkeit ihn ergriff. Sie hatte Recht und Unrecht zugleich. Wenn er nichts täte, wäre er nicht weniger gefährdet. Er wusste nicht so genau, warum er das glaubte, aber es schien ihm klar. Alles drehte sich um seine Habilschrift; ob es nur darum ging, ihr Erscheinen zu verhindern, oder ob der Mörder mehr bezweckte, das wusste Stachelmann nicht.
Die Krankenschwester erschien. Bevor Stachelmann begriffen hatte, was sie tat, saß die Spritze in der Armbeuge. Er schlief ein, während er protestieren
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