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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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ihm etwas Besseres einbringen sollen als ein College, auf das niemand gehen wollte. Aber hatte Lula ihre Geschichte denn nicht gelesen? Auf dem verfluchten Bauernhof wuchsen die schmackhaftesten Äpfel. Dieses College war hübsch, die Studenten wirkten glücklich, der Professor sah gut aus und war nett.
    Sie sagte: »Warum passieren in diesem Land so viele Schulschießereien?«
    »Die passieren überall«, sagte Professor Carl. »Und nicht so oft, wie man meint. Aber die Medien stürzen sich auf sie.«
    »Und rasten darüber aus. Ha, ha …«
    »Ihr Englisch ist tadellos.« Er lächelte. »Und was machen Sie jetzt?«
    »Okay. Ich bin nicht die albanische Freundin . Ich arbeite für die Familie. Ich sorge für Zeke. Bis er aufs College geht.«
    »Und dann?«
    »Gute Frage. Irgendwelche Vorschläge, Professor?«
    »Bitte«, sagte er. »Nennen Sie mich Carl.« Nach Lulas Erfahrung waren es von »Nennen Sie mich Carl« nur noch ein paar Schritte zu der Frage nach ihrer Telefonnummer.
    »Irgendwelche Vorschläge, Carl?« Lula versuchte die »Vorschläge« lüstern klingen zu lassen.
    »Also, meine Frau leitet hier seit Neuestem ein phantastisches Programm, das vom College finanziert wird. Es hilft kürzlich eingewanderten Frauen, unterbeschäftigten alleinstehenden Müttern mit Kinderbetreuungsproblemen, ins Berufsleben einzutreten. Sie ist Anwältin, sie ist wunderbar, sie macht das pro bono, in Teilzeit …«
    Lula hing immer noch an diesen zwei kleinen Wörtern fest. Meine Frau. Es gab viele Möglichkeiten, wie ein Mann signalisierte, dass er zu haben war, aber »meine Frau« gehörte nicht dazu, zumindest nicht mit so viel Besitzerstolz in der Stimme und innerhalb der ersten paar Minuten.
    »Ich schau mal eben, wo sie ist«, sagte Carl.
    »Nett, Sie kennengelernt zu haben.« Lebwohl für immer. Oh, wo war Mister Stanley? Wie rasch konnten sie diesen mit Studentenblut getränkten Tatort verlassen?
    Bevor Lula ihren Chef finden und ihn fragen konnte, wann sie heimfahren könnten, sah sie Carl mit einer dunkelhaarigen Frau zurückkommen, die ihr bekannt vorkam. Lula bemühte sich, sie einzuordnen, während sie gleichzeitig jedes bisschen an sexloser Körpersprache einsetzte, um zu vermitteln, dass sie noch nicht mal für eine Sekunde davon geträumt hatte, der vertraut wirkenden Frau den Ehemann auszuspannen.
    »Savitra!«, sagte Lula.
    »Ihr beide kennt euch?«, fragte Carl.
    »Die Welt ist klein«, sagte Savitra verdrießlich.
    »Sie arbeitet mit meinem Anwalt zusammen«, sagte Lula. Wie oft passierte ein Zufall wie dieser, bei dem man dieselbe Person zweimal unter derart verschiedenen Umständen traf? Vermutlich viel öfter, als Lula glauben mochte. In Tirana ereigneten sich ebenfalls Zufälle, aber dabei spielten meist Familie und Blutsverwandtschaft eine Rolle. Der Typ, den sie vage aus ihrem Englischseminar wiedererkannt und mit dem sie im betrunkenen Zustand einmal geschlafen hatte, stellte sich als Neffe ihres Onkels aus dessen zweiter Ehe heraus.
    »Don Settebello ist Ihr Anwalt?«, fragte Carl. »Kein Wunder! Der Mann ist ein Held.«
    Savitra sagte: »Ich habe Carl an meinem ersten Tag hier im College kennengelernt. Wir haben am Neujahrstag geheiratet.«
    »Sehr plötzlich«, sagte Carl. »Ein coup de Sie wissen schon was.«
    »Ihm dreht sich immer noch der Kopf«, sagte Savitra. Der verliebte Blick, mit dem sie Carl anlächelte, verriet eine liebevolle Seele, die sie an Thanksgiving gut verborgen zu haben schien.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Lula.
    »Mir hat Zekes Aufsatz sehr gefallen«, sagte Savitra. »Carl hat ihn mir gezeigt, aber die albanische Verbindung ist mir entgangen. Das kam erst jetzt, als ich Sie sah und zwei und zwei zusammengezählt habe. Wie schön, dass Zeke Geschichten niederschreibt, die Sie ihm erzählt haben. Und sie so gut schreibt! Sie haben so viel für den Jungen getan. Das beweist einmal mehr, dass Bildung auf so viele Arten geschehen kann. Auf so unkonventionelle Weise.«
    Hatte Savitra die Geschichten gelesen, die Lula Don Settebello gegeben hatte? Erstaunlich, wie viele Geheimnisse man mit jemandem teilen konnte, dem man erst einmal begegnet war. Savitra und sie hätten beste Freundinnen sein können, die sich jahrelang ihre geheimsten Gedanken anvertraut hatten.
    Savitra sagte: »Ich weiß nicht, wie viel Carl Ihnen über meine Arbeit hier erzählt hat. Wir haben gerade erst angefangen, aber ich glaube, wir werden große Dinge vollbringen und Frauen helfen, ihren Weg in

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