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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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und rauszufinden, was sie hören wollten. Dann solle er das schreiben. Sie war froh, dass er sie gefragt hatte und nicht seinen Vater, der ihm den falschen Rat gegeben hätte: zu schreiben, was sein Herz ihm sagte.
    Zeke zeigte Lula einen Entwurf, der mit den Sätzen begann: »Ich möchte die Freiheit haben, meine volle Individualität auszuleben und gleichzeitig ein integraler Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein.«
    Lula sagte: »Zeke, setzt deine Denkkappe auf! Welcher Teenager klingt denn so? Du kannst nicht einfach nur abschreiben, was da steht. Ich dachte, du wolltest aufgenommen werden.«
    Der zweite Entwurf begann mit: »Alles, was ich über Ihr College gelesen habe, überzeugt mich davon, dass es ein Ort ist, an dem ich sein kann, wie ich bin, und der mir trotzdem die Möglichkeit gibt, hart zu arbeiten und von meinen Kommilitonen zu lernen, die ebenfalls dort sind, um zu wachsen und zu lernen.«
    »Du hast’s erfasst«, sagte Lula.
    Wenn Zeke jetzt aus der Schule kam, fragte er, ob Post da sei, und wenn jetzt die Post durch den Schlitz fiel, suchte Lula nach dem dicken Umschlag, der gute Nachrichten enthielt. Das College, das ihn aufnahm, würde sie beide befreien.
    Der Umschlag traf an einem Samstagmorgen ein. Zeke riss ihn auf, überflog den Brief, boxte in die Luft und rief: »Okay!« Mister Stanley und Zeke klatschten sich ab.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Lula.
    Der einzige Brief mit guten Nachrichten kam vom Alice Ames College auf der anderen Seite des Hudson und eine Dreiviertelstunde nach Norden. Es klang wie ein Mädchencollege, aber Mister Stanley sagte, es sei schon seit Jahren gemischt. Das College lag nicht zu nahe, doch nahe genug für Mister Stanley und Zeke, den Tee der aufgenommenen Studenten zu besuchen.
    »Wollen Sie mitkommen? Das erscheint mir nur richtig, nach all der Hilfe, die Sie für Zeke geleistet haben.« Mister Stanley schien die Einladung zu diesem Tee für eine Art Belohnung zu halten. Was es auch war. Irgendwohin zu gehen, war besser als nirgendwohin. Er bat um Lulas Begleitung und Unterstützung und ließ es so klingen, als tue er ihr einen Gefallen.
    »Mit größtem Vergnügen«, sagte Lula.

12
    ______
    Lula hatte sich die Broschüre angesehen, die Fotos attraktiver Studenten jeden Körperbaus, aller Geschlechter und Rassen, die sich zu unterhaltsamen lehrreichen Gesprächen zusammenfanden, während sie durch die hübsche Klosteranlage schlenderten. Die Fotos hatten echt gewirkt, aber Lula hatte trotzdem den leisen Verdacht, Alice Ames würde sich als verrammelte Ladenfront in einem Einkaufszentrum herausstellen. Sie hatte eine Fernsehsendung über ein angebliches Online-College gesehen, das versprach, Jugendliche auf das Medizinstudium vorzubereiten, und die Eltern um sämtliche Ersparnisse brachte. Es hatte sie amüsiert, dass auch Amerikaner auf diese Art von Schwindel hereinfielen, wie sie ihn sonst nur in Osteuropa für möglich hielten. Wenn sie im La Changita einen Dollar von jedem Gast bekommen hätte, der ihr erzählte, er habe mit seinem Mietwagen nicht nach Prag fahren dürfen, weil das Auto dort gestohlen werden könnte, hätte sie nicht mehr arbeiten müssen. Aber seitdem ihr Zeke und Mister Stanley am Herzen lagen, hatte sie den leicht spöttischen Abstand verloren, aus dem sie zuschaute, wie Amerikaner reingelegt wurden, und sie hoffte, dass Alice Ames kein schmutziger Trick war, zynisch nach der Lieblingsnutte eines Gauners benannt.
    Am Tag des Treffens waren sie schon halbwegs beim College angelangt, als Mister Stanley das Tempo drosselte und sagte: »Wartet mal. Mir ist gerade etwas eingefallen. Mit dem College gab es irgendein Problem. Sorgte für ziemlichen Wirbel in den Medien … vor gar nicht langer Zeit …« Lula und Zeke saßen ganz still. Beiden gefiel der Ton nicht, derselbe Ton, in dem er Zeke verboten hatte, an Silvester mit seinen Freunden auszugehen. Aber Mister Stanley schien sich nicht erinnern zu können, um welches Problem es sich gehandelt hatte, und als sie wieder Tempo aufnahmen, kehrte Lulas Wohlbehagen zurück, verstärkt durch das Gefühl, einer Enttäuschung gerade noch entgangen zu sein.
    Ein perfektes Schneebaiser glitzerte auf den Rasenflächen und den Zinnen der Schlosstürmchen. Die Kälte wirkte sauberer und schneidender als in New Jersey und weckte den Wunsch, hineinzugehen, wo es warm sein und nach feuchter Wolle riechen würde und wo junge Geister summen würden wie Klimaanlagen im Sommer.
    Am Rand des

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