Luegen auf Albanisch
verwandt«, erwiderte Kapuzenshirt. »Brüder und Schwestern.« Der Reißverschluss an seinem Adler-Sweatshirt stand halb auf. Um den Hals, an einer Silberkette, hing ein doppelköpfiger Silberadler.
Der Süße deutete auf den SUV . »Wir sind gute Freunde und Kunden von deinem Vetter George.« Dann verzog er seine Lippen auf eine Weise, die seinen hübschen Mund in die dicken Schmolllippen von Vetter George verwandelte. Lula lachte, weil es einerseits komisch war und andererseits nett, jemanden kennenzulernen, der ihren Vetter nachahmen konnte.
»Brüder und Schwestern«, sagte Kapuzenshirt.
»Okay«, sagte Lula. »Hab’s kapiert.«
Ledermantel sagte: »Glückwunsch zu deinem Arbeitsvisum.«
»Woher wisst ihr das? Mein Vetter weiß noch nichts davon.«
Das Lächeln des Süßen entblößte einen Goldzahn. »Mach dir darüber mal keine Sorgen. Meine Freundin arbeitet bei der Einwanderungsbehörde.«
Lula sagte: »Ich habe einen tollen Anwalt. Mein Chef …« Bei dem raschen, scharfen Blickwechsel der Männer bedauerte Lula, damit angegeben zu haben. Ihr balkanischer Überlebensinstinkt war durch die schwammige Atmosphäre in Mister Stanleys Gutmenschenhaus schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.
Lula klinkte die Türkette aus. Bitte lass sie nicht Mister Stanleys Fernseher und Zekes Computer klauen. Aber wer würde schon Mister Stanleys uralten Motorola oder Zekes Schülerlaptop haben wollen? Vielleicht würde das Mister Stanley dazu bringen, endlich einen Flachbildschirm zu kaufen, was Zeke glücklicher machen würde als der Therapeut, zu dem Zeke in Lulas Anfangszeit wöchentlich gegangen war und dann beschlossen hatte, nicht mehr zu gehen, was wiederum Mister Stanley dazu veranlasst hatte, Lula eine kleine Gehaltserhöhung zu geben. Mit kleinen Gehaltserhöhungen wäre Schluss, wenn Mister Stanley herausfand, dass sie diese Kerle ins Haus gelassen hatte. Und vielleicht keine Greencard, keine Staatsbürgerschaft. Katastrophe. Andererseits waren es Albaner. Sie nannten sie »Kleine Schwester« und kannten ihren Vetter George. Der Süße war süß. Und nichts auch nur entfernt so Interessantes würde heute sonst noch geschehen.
Die Männer schoben sich an ihr vorbei, drehten sich dann um und schüttelten ihr einer nach dem anderen die Hand. Zwei dieser Handschläge waren zeremoniell. Der des Süßen war eine Liebkosung. Wie lange war es her, seit jemand sie berührt hatte, abgesehen von den Restaurantgästen, die ihr an den Hintern griffen? Sie wusste immer schon im Voraus, welcher der Typen das machen würde und nach wie vielen Mojitos. Sex hatte sie das letzte Mal mit dem Kellner Franco gehabt, der sie mit nach Long Island City in sein Loft nahm, das er sich mit drei Mitbewohnern teilte. Er hatte ihr die Skulpturen gezeigt, die er aus auf der Straße gefundenen Sprungfedern machte. Sie hatte gesagt, die sähen wie Außerirdische aus, anscheinend die richtige Antwort, und er hatte ihr dann erzählt, er werde sie seine Bettwanzen-Abschussrampen-Serie nennen, sehr nett, wenn man bedachte, dass sie gleich in sein Bett steigen würden. Am stärksten war Lula ihr Erstaunen im Gedächtnis geblieben, dass ihn ein derart Besoffener noch hochbekam. Sie hatte selbst eine ganze Menge getankt, sonst wäre sie nicht mitgegangen.
»Ich dachte, ihr Jungs wärt Brüder«, sagte Lula. »Aus der Nähe betrachtet aber nicht so sehr.« Die Hauptähnlichkeit bestand in ihrer raumeinnehmenden Art.
»Du findest, ich sehe wie dieser da Kerl aus?«, fragte Kapuzenshirt. »Willst du mich verarschen, oder was?«
»Brüder mit verschiedenen Müttern und Vätern. Blutsbrüder.« Ledermantel fuhr sich mit dem Finger über die geöffnete Handfläche. »Kein Witz.«
Kapuzenshirt sagte: »Alle Albaner sind durch DNS verwandt.«
»Also gehören wir zu einer Familie«, sagte Lula kategorisch. Dann wartete sie darauf, zu erfahren, was ihre drei lang vermissten Brüder wollten.
Der Süße hielt sich zurück, schaute sich im Wohnzimmer um, als suchte er nach einem Platz, etwas zu verstecken, oder einem Platz, an dem etwas versteckt war. Erst als Lula alles mit seinen Augen betrachtete, fiel ihr auf, was für ein elendes Loch es war. Himmlisch, im Vergleich zu Albanien. Alle Annehmlichkeiten. Trotzdem, traurig, es so weit geschafft zu haben und dann hier zu landen.
Lula hätte das Haus freundlicher oder zumindest weniger modrig und muffig machen können, aber sie war nicht der Typ, anderer Leute Wohnungen umzugestalten. Alles aus der
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