Luegen auf Albanisch
einzelne Waffe verwendet wurde. Mordwaffen, Jagdwaffen, Waffen zum Schlangenschießen. Ihr Vater war ein Miezekätzchen, aber er konnte rabiat werden, wenn er trank. Dann schloss ihre Mutter seine Waffen weg, und sie brüllten sich deswegen an. Sie rangelten um die Autoschlüssel, und manchmal – das hatte sich als der verhängnisvolle Teil herausgestellt –, manchmal gewann ihr Vater.
Er lieh sich gern das Auto ihres Onkels, und da er keinen Sohn hatte, nahm er Lula mit zu Schießübungen auf einer Müllhalde oder einem Picknickplatz, je nachdem, wie man es betrachtete. Das war nach dem Kommunismus, als man italienische Filmzeitschriften bekam, aus denen er Fotos von Madonna ausriss, an eine Holzlatte nagelte und Lula beibrachte, aufs Herz zu zielen. Er hatte nichts gegen Madonna, er hatte nur einen seltsamen Sinn für Humor. Vermutlich hatte er es lustig gefunden, mit seinem Auto auf einen Nato-Panzer zu zielen und aufs Gas zu treten. Durch das Pyramidensystem hatte er ihr gesamtes Geld und das Haus verloren und hatte sich über die Grenze geschlichen, um Waffen zu verkaufen, als hätte die Befreiungsarmee des Kosovo nur auf einen alten Knacker gewartet, der ihnen Stammesflinten und kaputte Nazipistolen verkloppen wollte. Lula hatte einen guten Draht zu ihrer Tante Mirela, mit der die Familie früher zusammengelebt hatte und bei der sie nach ihrem Uni-Abschluss wieder einzog. Als Tante Mirela an einem Nierenleiden starb, das man woanders hätte heilen können, gab Lula ihr winziges Erbe für den Flug nach New York aus.
Alvo sagte: »Passt in einen Schuhkarton. Locker.«
»Locker«, sagte Lula. »Berühmte letzte Worte.«
Ledermantel sagte: »Locker ist nur ein Wort.«
»Halt die Klappe, Arschloch«, sagte Kapuzenshirt.
»Locker«, wiederholte Alvo.
Sie wünschte, sie wüsste, was die Waffe angestellt hatte und warum sie sie verstecken mussten. Warum warfen sie das Ding nicht einfach in einen Gully? Aber warum eine gute Waffe wegschmeißen, wenn man ein albanisches Mädchen finden konnte, das sich wie eine Henne draufsetzte, bis sie Waffenküken ausgebrütet hatte? Die Amerikaner hatten Gesetze für alles, was mit Waffen zu tun hatte. Ihr Vater würde es hier schrecklich finden. Er wäre einer von denen gewesen, die behaupteten, dass nur die falschen Leute Waffen besäßen. Wenn jemand die Waffe fand, würde Lula abgeschoben werden, Arbeitsvisum hin oder her.
Sie sagte: »Ich soll also eure Waffe aufbewahren, weil …?«
Alvo erhob sich von seinem Stuhl.
»Was würde es dir nützen, das zu wissen? Wäre es besser für dich? Oder mich? Je weniger du über uns weißt, desto besser.«
»Angenommen, ich muss mich mit euch in Verbindung setzen?«
»Brauchst du nicht«, sagte Ledermantel. »Wir setzen uns mit dir in Verbindung.«
»Na gut«, sagte Lula. »Ich bewahre sie auf. Aber ich weiß nicht, wie lange ich in diesem Haus wohnen werde.«
»Nimm’s mir nicht übel«, sagte Alvo. »Ich habe nicht das Gefühl, dass du so bald von hier verschwindest.« Er zuckte kurz mit der Schulter, worauf Ledermantel eine braune Papiertüte hervorzog und auf den Tisch legte. Alle starrten auf die Tüte. Alvo nickte, und Kapuzenshirt nahm einen gemein aussehenden, kurzläufigen Revolver heraus. Dann starrten sie alle auf die Waffe. Für Lula war es, als sei der Geist ihres Vaters im Raum erschienen und gebe ihr seine geisterhafte Zustimmung für ihr neues amerikanisches Leben.
»Wann holt ihr ihn ab?«, fragte Lula und brach prompt in Tränen aus.
Die Männer hätten nicht schockierter aussehen können, wenn sie den Revolver genommen und sich damit erschossen hätte. Lula hatte nicht vorgehabt zu weinen, genauso wenig, wie sie vorgehabt hatte, damit nicht wieder aufhören zu können. Vielleicht lag es an dem Adler auf dem Kapuzenshirt oder am Geschmack des Raki oder irgendeiner magnetischen Kraft, die sie ins Haus ihrer Großmutter zurückzog, als Großmutter noch lebte und die Geschichte von der Frau erzählte, die Frauentränen einsammelte und sie in Fläschchen verkaufte, die absolute Spitzenkosmetik, bis eine Nachbarin sie denunzierte und sie kurz davor stand, abtransportiert zu werden, aber die Frau eines Parteibonzen bat um eine Probe, und die Tränenverkäuferin wurde unter der Voraussetzung begnadigt, ständig für Nachschub zu sorgen. Doch wahrscheinlich war es die Waffe, die sie zum Weinen brachte.
Die ganze Zeit schluchzte Lula. Wie sehr sie ihre Mutter und ihren Vater vermisste, und ganz besonders ihre
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