Luegen auf Albanisch
sehe komisch aus. Oder müde. Die eine Kellnerin im La Changita sagte den Leuten immer, sie würden müde aussehen, und hat ihnen damit den ganzen Abend verdorben. Jedes Mal, wenn sie das sagte, mussten sie zum Spiegel laufen und nachschauen.«
»Bedeutet komisch immer was Schlechtes? Könnte jemand nicht auch komisch gut aussehen?«
»Willst du ein Sandwich?«, fragte Lula. »Rote Paprikapaste mit Frischkäse.«
»Nein, danke«, sagte Zeke. »Ich esse nichts, was die Farbe von Blut hat.«
»Pizza hat die Farbe von Blut. Ketchup hat die Farbe von Blut.«
»Das ist die Farbe von Tomaten.«
»Was für ein Vampir bist du eigentlich?«, fragte Lula. »Okay, ich mache Pizza.«
Geschmorte Paprika und Tomatensoße aus der Mikrowelle wogen drei Zigaretten auf. Trotzdem schnüffelte Lula immer wieder. Als Mister Stanley heimkam, gerieten seine Nasenflügel nicht einmal ins Flattern. Lula lehnte am Tresen, während Mister Stanley ein Glas kaltes Wasser trank, in das er den Saft einer Zitrone gepresst hatte, die er in Viertel geschnitten und in Plastikfolie verpackt im Kühlschrank aufbewahrte. Lula mochte Mister Stanley, der gutherzig und anständig war, nur das Beste für seinen Sohn wollte und Lula stets mit vollkommenem Taktgefühl behandelte. Manchmal war sie abgestoßen von dem Anblick, wie er sein abendliches Glas Wasser trank, und das erfüllte sie mit Schuldgefühlen und Wut auf sich selbst, die dann auf Mister Stanley abperlte wie die Tropfen, die ihm manchmal vom Kinn fielen.
»Wie war es bei der Arbeit?«, fragte Lula.
»Ereignislos«, erwiderte Mister Stanley. »Ein weiterer Tag, an dem ich mir wünschte, nie mit dem Unterrichten aufgehört zu haben.«
»Sie könnten wieder damit anfangen«, sagte Lula.
»Mein Leben ist sehr kostspielig«, sagte Mister Stanley, »was meine Frau mir noch rasch unter die Nase rieb, bevor sie es noch kostspieliger machte. Man hofft nur, dass sie die Hilfe bekommt, die sie braucht, obwohl sie nie lange genug an einem Ort zu bleiben scheint, um … Nun ja, um auf etwas Erfreulicheres zu kommen, wie geht’s Zeke?«
»Gut.«
»Hausarbeiten?«
»Gemacht.«
»Haben Sie den Artikel gelesen?«, fragte Mister Stanley. »Über diese albanischen Frauen, die sich wie Männer kleiden? Man stelle sich vor, so zu leben – oder dazu gezwungen zu sein.«
»Die Leute tun, was sie tun müssen.« Lula zählte darauf, Mister Stanley mit solchen trübseligen Bemerkungen zum Schweigen zu bringen, wenn sie keine Lust zum Reden hatte. Aber warum war sie so missmutig? Sie hatte einen interessanten Tag gehabt! Kurz erwog sie, die eingeschworene Jungfrau aus Shkodra zu erwähnen, eine Parteifunktionärin, die für den Tod vieler unschuldiger Menschen verantwortlich war. Aber das war eine lange, hässliche Geschichte, und ihr war nicht danach, sie zu erzählen. Sie sagte: »Meine Oma war ein ball buster. Eine richtige Beißzange. Nur war sie verheiratet und hatte Kinder und trug ein Kleid.«
Ein Lächeln zuckte über Mister Stanleys Gesicht. »Wo haben Sie denn solche Ausdrücke her wie … ball buster ?«
Lula kannte diverse amerikanische Ausdrücke, die Mister Stanley wahrscheinlich nicht kannte. Rührend, wie schwer sie ihm über die Lippen kamen. Aber wie konnte er an der Wall Street arbeiten und so unschuldig sein? Sie hatte den Ausdruck im La Changita aufgeschnappt, von den jungen Kerlen, die es vermutlich auf Mister Stanleys Job abgesehen hatten. Man lernte ein neues Wort, wenn man zum ersten Mal angepflaumt wurde, nicht so zu sein, mit der unterschwelligen Andeutung, dass man es bereits ist.
»Weiß ich nicht mehr«, sagte Lula.
»Und wie war das mit Ihrer Großmutter?«
»Sie liebte Profiringkämpfe. Sie brachte meinen Großvater dazu, eine verbotene Fernsehantenne zu besorgen, damit sie die Kämpfe aus Bayern sehen konnte. Dafür hätte er eingesperrt werden können.« Zumindest Letzteres war wahr.
»Schreiben Sie es auf«, sagte Mister Stanley. »Noch so eine tolle Geschichte. Ich werde sie an Don weiterreichen. Ach, und wo wir gerade von ihm sprechen, das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen: Sie, Zeke und ich werden am Samstagabend mit Don essen gehen, um Ihr frisch erworbenes Arbeitsvisum zu feiern.«
Lula fragte: »Glauben Sie nicht, dass das Unglück bringt? Möchten Sie einen Snack? Ich habe diese köstliche rote Paprikapaste gemacht, die meine Oma immer einkochte.«
»Nein, vielen Dank«, sagte Mister Stanley. »Ich würde ja gerne, aber von roten Paprika bekomme ich
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