Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
Vom Netzwerk:
Gefahr. Entspann dich und warte ab, was passiert.
    »Wir haben es überlebt«, sagte sie. »Niemand ist verletzt worden. Das Auto hat nicht mal einen Kratzer abbekommen.«
    »Ich werde es nie wieder tun«, sagte Mister Stanley.
    Vielleicht hatte sie sich den Vorfall mit der Seife nur eingebildet. Ihr Vater pflegte zu sagen: Meine Tochter Lula hat viel Phantasie. Das war seine leutselige Art, sie als Lügnerin hinzustellen. Ihre Phantasie war Teil dessen, was sie so weit gebracht hatte. Sie war ihr Rüstzeug fürs Überleben.
    »Haben Sie das hier gesehen?« Mister Stanley schob die Zeitung über den Tisch. In der Nähe von Durrës war ein weiteres Munitionslager in die Luft geflogen.
    »Na toll«, sagte Lula. »Mein Land übt für den zukünftigen Atomreaktor.«
    »Wissen Sie, was es war?«, fragte Mister Stanley. »Eine Fabrik voll kleiner Kinder, die von ein paar Gangstern dafür bezahlt wurden, Kalaschnikows auseinanderzunehmen und Sprengstoff zu horten.«
    Lula sagte: »Ich habe Ihnen ja erzählt, wie schlimm es dort ist. Glauben Sie, es geht nur um eingeschworene Jungfrauen und Blutfehden und paranoide tote Diktatoren?« Falls alles in die Brüche ging und sie wegen der Verbrechen ihrer albanischen Brüder abgeschoben wurde, sollte Mister Stanley wissen, wohin man sie zurückschicken würde.
    Mister Stanley blickte auf. Sein Ausdruck erinnerte sie an den von Estrelia, als Lula ihr in der Küche Großmutters Paprikapaste vorgesetzt hatte. Lula sagte: »Alles kommt einem romantisch vor, bis man tatsächlich …«
    »Man hatte nie den Eindruck, dass Europas repressivste Diktatur romantisch war«, sagte Mister Stanley.
    »Aus mir spricht nur der Kater«, sagte Lula. »Tut mir leid.«
    Mister Stanleys Gesichtsausdruck wurde ungewöhnlich kühl und distanziert, so als betrachtete er sie und sähe jemand anderen. Vielleicht Ginger.
    Er sagte: »Ihr Frauen seht die Dinge immer aus einem verrückten Blickwinkel.«
    Ihr Frauen? Dieses Gespräch musste beendet werden, bevor ihre Kater noch ein weiteres Wort wechselten. Lula wandte sich zur Küche, als Mister Stanley sagte: »Trotzdem hat es gestern Abend Spaß gemacht. Don ist schon ein toller Bursche. Ein Held.«
    »Ein Held«, stimmte Lula zu. »Ich hätte nicht den Mut, das zu tun, was er tut.«
    Worauf Mister Stanley sagte: »Ich weiß nicht. Die Menschen tun, was sie tun müssen.«
    Wo hatte Lula das schon mal gehört? Sie hatte es zu Mister Stanley gesagt. Schmerz legte sich wie ein Band um Lulas Schläfen. Sie ging in die Küche und begann Eier zu trennen. Das dritte Eigelb rutschte mit dem Eiweiß in die Schüssel, und sie verfluchte die Eier laut auf Albanisch dafür, ihre Mutter zu ficken.
    Durch die Tür hörte sie Mister Stanley sagen: »Guten Morgen. Endlich, Zeke!«
    Wie konnten Mister Stanley und Zeke am Tisch sitzen, ohne auch nur Smalltalk zu machen? Vielleicht hatte Ginger das Reden übernommen. Im La Changita hatte Lula oft beobachtet, wie Mütter und Töchter die Unterhaltung am Laufen hielten, während Ehemänner und Söhne mürrisch dasaßen oder tranken. Das war in Albanien leichter, wo Männer und Frau getrennt saßen und niemand erwartete, vom anderen Geschlecht etwas Hörenswertes zu erfahren. Lula trug eine Schüssel Cheerios und ein Eiweißomelett für Mister Stanley hinein, sowie Teller mit Rührei und Toast für sich und Zeke.
    Mister Stanley kaute seine Frühstücksflocken. Knirsch knirsch Pause, knirsch knirsch Pause. Er sagte: »Ich möchte meine niedrigen Cholesterinwerte zurück. Ich möchte wieder jung sein.«
    »Sei nicht so deprimierend, Dad«, sagte Zeke. Das Rührei war zu flüssig und zu wenig gesalzen, aber Zeke schienen es zu schmecken. Lula nahm sich vor, öfter zu kochen. Kinder schätzten es, wenn sich Erwachsene die Mühe machten.
    Mister Stanley sagte: »Hast du gehört, was Don vorhat, Zeke?«
    »Ich dachte immer, Abigails Schule wäre cooler als meine, aber jetzt hört sie sich ziemlich beschissen an«, erwiderte Zeke.
    Mister Stanley sagte: »Don zahlt ein Vermögen für das Schulgeld. Der Mann tut nichts als Gutes, ist grundanständig, und dann diese Tochter, der arme Kerl …«
    »Abigail ist voll krass«, sagte Zeke.
    »In welcher Klasse ist sie?«, fragte Lula.
    »Im Abschlussjahr, wie ich.«
    Lula sagte: »Ich dachte, sie sei zwölf.«
    »Ernährungsfragen.« Nachdenklich betrachtete Mister Stanley seine restlichen Cheerios und das Stück Eiweißomelett. »Tragisch. Wo wir gerade vom Abschlussjahr sprechen, Zeke, ich

Weitere Kostenlose Bücher