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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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war besessen von ihrer Seife, handgefertigt von französischen Mönchen, die sich stummen Gebeten und dem Seifensieden geweiht hatten. Die Seife war am Abfluss gestrandet, in einer milchigen Pfütze. Ein plötzlicher Übelkeitsanfall wirkte auf sie wie ein neuer Durst, der nur durch das Eintauchen ihres Körpers in Wasser gelöscht werden konnte. Aber wie konnte sie in einer Wanne baden, in der ein Fremder gewesen sein könnte? Gewesen sein könnte ? Die Fliesen waren nass.
    Und was war das? Ein krauses rotes Haar, eingebettet in die schmierige, lavendelfarbene Oberfläche der Seife. Oh, wie grässlich. Abscheulich! Lula schnappte sich einen Schwung Klopapier und wischte, mit abgewandtem Blick, die Seife mit dem Papier ab, das sie im Klo runterspülte. Tat so, als handelte es sich um einen der Wasserkäfer aus der Lower East Side, kümmerliche Winzlinge verglichen mit den Küchenschaben, die sie durch Tante Mirelas Wohnung gejagt hatten.
    Wenn sie nicht betrunken gewesen wäre, hätte sie mehr Angst gehabt. Alkohol verstand es, den Abstand zwischen dem Selbst zu erweitern, das wusste, was passierte, und dem Selbst, das sich veranlasst fühlte, etwas dagegen zu unternehmen. Sie bildete sich das nicht ein. Sie musste etwas unternehmen. Lula riss die Schranktür auf, bückte sich dann und schaute unter das Bett. Was war mit Zeke und Mister Stanley? Wenn nun der rothaarige Serienmörder geduscht hatte, als rituelle Vorbereitung, sie in ihren Betten zu erstechen? Daran wäre sie schuld. Diese Typen mit dem Revolver, wer waren sie? Lula hatte keine Ahnung. Aber sie hatte sie ins Haus gelassen.
    Sie trat auf den stillen Flur. Gegen die Wand gestützt, lauschte sie und hörte nichts, bis auf das ferne Brummen von Mister Stanleys Schnarchen.
    Ein Gefühl des Friedens überkam sie, eine Daunendecke des Fatalismus. Sollte doch geschehen, was geschehen wollte. Höchstwahrscheinlich gar nichts. Sie war müde. Sie musste sich ausruhen. Das würde sich schon klären. Falls sie in dieser Nacht ermordet wurde, hätte sie eben einen Fehler gemacht. Kurz bevor sie endgültig einschlief, hatte sie einen verstörenden Traum, in dem sie Don Settebello sah, mit einer Binde vor den Augen und in Hand- und Fußfesseln, sein Kopf schimmernd hinter dem Fenster eines mit Tarnfarbe bemalten Flugzeugs, das über den Ozean hüpfte.

4
    ______
    Ein Druck glühte wie eine brennende Münze zwischen Lulas Brauen, und sie konnte sich nur vage erinnern, warum sie dankbar sein sollte, überhaupt aufgewacht zu sein. Vielleicht, weil sie von dem Mörder, der seine haarige Signatur auf ihrer Seife hinterlassen hatte, nicht im Schlaf erschlagen worden war. Das hieß, noch nicht. Es war erst vier Uhr.
    In der Dunkelheit tastete Lula ihre Arme und Beine ab. Alles heil, bis auf den Kater. Vielleicht war der sogenannte Eindringling eine vom Wein beflügelte Einbildung, eine Nebenwirkung der üppigen Rindfleischproteine und der furchterregenden Heimfahrt. Aber sie sah das rote Haar vor sich, den zwinkernden Kupferdraht. Es gab jemanden mit so rotem Haar.
    Alvo. Das war Alvos Haar. Die Möglichkeit, dass sich Alvo hereingeschlichen und in ihrer Wanne geduscht hatte, kam ihr eine Spur wahrscheinlicher vor als der plötzliche Waschzwang eines zufällig vorbeikommenden Psychopathen. Also war es nicht so beängstigend. Aber beunruhigend, das musste sie zugeben. Und sonderbar, irgendwie erregend. Es war albern und dämlich, Gefühle für seinen Stalker zu entwickeln. Je älter Lula wurde, desto unreifer schien sie in Bezug auf Männer zu werden. Auf der Uni von Tirana hatte ihr vernünftigeres jüngeres Selbst eine kurze Affäre mit einem Typen abgebrochen, weil ihr beim Sex etwas in seinem Blick nicht gefiel. Später war Dunias Kusine mit ihm ausgegangen, und er hatte ihr im Bett einen Grillspieß an die Kehle gehalten.
    Es sei denn, Alvos nächtlicher Besuch hatte nichts mit ihr zu tun … Lula knipste die Nachttischlampe an und war mit einem Satz durchs Zimmer.
    »Danke«, flüsterte sie. Danke? Der Revolver lag immer noch in ihrer Unterwäscheschublade. Dann fiel ihr das Geld ein, und ein weiterer Adrenalinstoß trieb sie zum Schreibtisch, wo – wiederum vielen Dank! – der Umschlag mit dem Geld nach wie vor an seinem Platz lag. Sie war wohl schon völlig umnachtet, zuerst an die Waffe und dann an das Geld zu denken.
    Die Schlösser an den Türen mussten ausgewechselt werden. Wenn Mister Stanley oder Zeke etwas passierte, würde sich Lula das nie verzeihen. Morgen

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