Luegen auf Albanisch
darum drehte? Beinahe hätte sie gesagt, ich habe einen Freund. »Wie soll ich hier denn jemanden kennenlernen? Sogar der Postbote ist verheiratet. Willst du mich verkuppeln?«
»Meine Freunde sind ziemlich jung«, sagte Zeke.
Lula wich Zeke nicht von der Seite, während er drei Stücke Pizza aß, und warf dann den Rest in den Müll, weil sie nicht wollte, dass Mister Stanley die jämmerliche Mahlzeit sah, die sie für seinen Sohn zubereitet hatte. Danach ging sie in ihr Zimmer. Sollte Mister Stanley sein leckeres Glas Wasser doch alleine trinken.
In dieser Nacht wachte Lula aus einem Traum auf, in dem Dunias streifiges Gesicht aus einer wabernden Wolke schwarzen Rauchs auftauchte. Wie sehr sie sich nach Dunias Beratung sehnte, den schlechten Frisur-Ratschlägen, schlechten Mode-Ratschlägen, schlechten Männer-Ratschlägen, schlechten Einwanderungs-Ratschlägen, schlechten Lebens-Ratschlägen. Dunia war die Einzige, mit der sie über Alvo reden könnte. Sie könnte Dunia bitten, die Teeblätter zum Balzverhalten böser Jungen zu lesen. Aber wie konnte Lula auch nur an ihre eigenen Probleme denken, wenn Dunia sich vielleicht in Gefahr befand? Wahrscheinlich ging es Dunia gut. Leute wechselten ihre E-Mail-Adressen. Sie zogen nach Hause zurück und vergaßen dich. Oder sie schickten deine E-Mails als Strafe zurück, weil du ohne sie in New York geblieben bist.
Oder es ging Dunia doch nicht gut. Vielleicht redete sich die faule, egoistische Lula nur ein, sich keine Sorgen machen zu müssen. Auf der Party, bei der Albaniens Sieg im WM -Qualifikationsspiel gefeiert wurde, hatte Lula in der Bar auf der Second Avenue eine Frau kennengelernt, deren gemeinnützige Einrichtung albanische Mädchen resozialisierte, nachdem sie in die Prostitution verkauft worden waren. Die Frau hatte Lula ihre Visitenkarte gegeben, und Lula hatte sich die Website angesehen, auf der man Kopfkissenbezüge bestellen konnte, bestickt von den geretteten Mädchen, was kein ermutigendes Zeichen für die Rückkehr in ihr altes Leben war, oder in irgendein Leben. Wurde es nicht Zeit für Lula, Mister Stanley und Don von Dunia zu erzählen? Was konnten sie tun? Interpol und die CIA alarmieren, weil Lulas Freundin nicht auf ihre Anrufe reagierte? Don würde sich nur darum kümmern, wenn Dunia in einem amerikanischen Geheimgefängnis steckte, was Lula bezweifelte.
Wie konnte Lula ihre Freundin finden, außer zurückzufliegen? Eine echte Freundin, im Gegensatz zur falschen Freundin Lula, würde alles tun, was notwendig war. Sie durfte nie vergessen, wie glücklich sie sich schätzen konnte, ihr behagliches neues amerikanisches Leben in Mister Stanleys behaglichem Haus zu verbringen, statt ihren Körper an einen Fischer in Bari verkaufen oder ihren Rock an einem Zubringer zu einer sizilianischen autostrada heben zu müssen.
7
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Am Morgen der College-Rundreise war Lula früh fertig, gekleidet in ihre Seemannsjacke und das billige Sekretärinnenkostüm, das sie sich für ihr erstes Treffen mit Don gekauft hatte. Als Mister Stanley herunterkam, hatte Lula bereits eine Thermoskanne mit Kaffee gemacht und eine Tüte mit halb durchgeschnittenen Magerkäse-Sandwiches gepackt. Mister Stanley probierte ein halbes Sandwich.
»Köstlich«, sagte er und nahm es mit nach oben, um Zeke zu wecken. Vierzig Minuten vergingen, bis Zeke nach unten geschlurft kam. Sein Haar war zu zwei hornartigen Büscheln gegelt, und sein schwarzes T-Shirt und die Jeans sahen aus, als hätte er darin geschlafen.
Zeke warf sich seine Jacke über, öffnete die rückwärtige Tür vom Acura seines Vaters und legte sich quer über die Bank, das Gesicht in die Sitzfalten gedrückt.
»Du musst dich anschnallen«, sagte Mister Stanley. »Wir nehmen den Highway.«
»Ich setz mich auf, wenn wir vierzig fahren«, sagte Zeke.
»Die Dummies bei Crashtests implodieren bei dreißig«, sagte Mister Stanley. »Ich habe ihre Köpfe wegfliegen sehen.«
»Bitte, Dad«, sagte Zeke. »Ich bin müde.«
Mister Stanley sagte: »Muss er denn ausgerechnet jetzt seine regressive Phase haben?«
»Das wird schon«, sagte Lula.
Als sie Mister Stanleys Haus kleiner werden und verschwinden sah, hatte sie das Gefühl, ein Kind zurückzulassen, das so schnell wachsen könnte, dass es bei ihrer Rückkehr nicht mehr wiederzuerkennen wäre. Wie melancholisch das Haus aussah, während es ihnen nachschaute. Lula versuchte es mit Gingers Augen zu sehen, als Gefängnis, aus dem sie floh, ein von diesen
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