Luegen auf Albanisch
Mittagessen mit Alvo war Lula sauer und genervt über die zwanghafte Nettigkeit, die sich als so wichtiger Teil ihres Jobs erwiesen hatte.
Sie sagte: »Es gibt Pizza«, ohne Zeke die Möglichkeit tiefgefrorener Hamburger anzubieten. Was für eine widerwärtige Lebensweise, sich von tiefgefrorenem Hundefutter zu ernähren, wenn in zwanzig Minuten Entfernung solche Köstlichkeiten wie gebratene Ente und frittierte Petersilie serviert wurden. »Und Salat. Du kriegst Salat.«
»Ich hasse Salat«, sagte Zeke.
Lula sagte: »Lass uns zur Abwechslung mal in den anderen Markt fahren. Den weiter entfernten.« Sie merkte, dass Zeke die stichelnde Herausforderung in ihrem Vorschlag wahrnahm, sich über die ihm von Mister Stanley gesetzten Grenzen hinauszuwagen. Seine für einen Teenager so untypische Bereitschaft, die Beschränkungen seines Vaters hinzunehmen, ließ Lula vermuten, dass Zeke selbst seine Befürchtungen und Bedenken hatte. Die Regeln seines Vaters lieferten ihm die willkommene Ausrede, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Doch wer konnte es einem Jungen verdenken, nur ungern zu dem Markt fahren zu wollen, in den seine Mutter ihn und seinen Dad am Abend ihres Verschwindens geschickt hatte?
Zekes Lächeln glich weniger einem menschlichen Ausdruck als dem eines Orang-Utans, der versucht, einen Orang-Utan-Rivalen aus dem Feld zu schlagen. »Dazu hab ich keine Zeit. Ich muss irgendeinen Scheiß für Englisch schreiben.«
»Worüber?«, fragte Lula.
»Über Scheiß«, sagte Zeke.
Zeke fuhr sie zum Good Earth, wo sich Lula wahnhaft vorstellte, Alvo zu begegnen, der die Besitzer fragte, ob sie professionelle Hilfe bei der Beseitigung des aus ihrem Keller dringenden Gestanks nach toten Ratten benötigten. Sie kauften Mozzarella, Tomatensoße und Pizzateig. Auf der Rückfahrt sagte Lula: »Wir sollten irgendwann in den anderen Markt fahren.« Welcher Charakterfehler trieb sie dazu, immer wieder in der Wunde des Jungen herumzubohren?
»Mein Dad würde einen Anfall kriegen«, sagte Zeke. »Ich glaube, er überprüft den Meilenzähler.«
»Das kann er nicht täglich machen«, sagte Lula. Erst als sie zu Hause waren und Lula den Käse öffnen wollte, bemerkte sie, dass die Packung aufgebläht und der Inhalt schleimig weiß war.
Zeke sagte: »Der Mozarella riecht wie die Kotze von den Kindern, denen im Grundschulbus immer schlecht wurde.«
Lula sagte: »Im Fernsehen habe ich gesehen, wie sie verschimmelte Hamburger nehmen und so durchkneten, dass das rote Fleisch außen ist und das grüne in der Mitte …«
»Die Sendung musste ich mir zusammen mit dir anschauen«, sagte Zeke.
Lula ließ den Käse in den Müll fallen, und Zeke folgte ihr nach draußen, um die Plastiktüte in die Tonne zu werfen. Beide trugen keinen Mantel, also plauderte Lula weiter, damit sie die Kälte nicht so spürten. »Diese Mistkerle ändern das Verfallsdatum, irgendein armes Kind isst beim Familienpicknick einen Burger und landet in der Notaufnahme, nur damit der Supermarkt … was daran verdient? Hundert Dollar, zehn Dollar, wer weiß, wie viel. Menschenleben ist denen nichts wert.«
»Unternehmenskapitalismus«, sagte Zeke.
»Kommunismus ist nicht besser«, sagte Lula.
»Offensichtlich«, sagte Zeke. »Vergiss den Käse, okay, Lula? Du kannst Tomaten nehmen.« Er klang so tragisch, dass Lula sie beide rasch zurück in die Wärme scheuchte.
»Mojito?«, fragte Zeke.
»Auf jeden Fall«, sagte Lula. Sie machte einen leichten für Zeke, wie gewöhnlich, hielt sich bei ihrem aber nicht zurück, trank ihn schnell und mixte sich einen weiteren.
»Eines Abends haben die Gäste im La Changita Reise nach Jerusalem gespielt«, sagte sie. »Sie waren die Letzten im Restaurant, und sie hatten eine gewaltige Rechnung angehäuft und ein gigantisches Trinkgeld gegeben. Also haben die Bedienungen sie machen lassen, bevor wir sie rauswarfen. Der Anführer hat sein iPhone laut gestellt, und die Gäste tanzten um die Stühle, und als die Musik aufhörte, haben alle gedrängelt. Das unscheinbarste Mädchen war als Erste draußen und brach in Tränen aus. In Albanien gibt es dieses Spiel nicht. Da gibt es andere sadistische Spiele, aber das nicht. Nicht genügend Stühle für alle war etwas, das wir aus dem Alltag kannten. Keiner hätte den Spaß daran kapiert.«
Zeke sagte: »Kann ich dich was fragen?«
»Klar.« Lula kippte den letzten Schluck von ihrem Drink.
»Wie kommt es, dass du keinen Freund hast?«
Glaubte Zeke, dass sich ihre Geschichte
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