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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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hatte Dunia solche Schuhe oder diesen modischen schwarzen Mantel, dezent und, wie Lula sich denken konnte, außerordentlich teuer? Wie hatte Dunia den Sprung von der Dienstbotin zur Königin geschafft, von einer illegalen, ausländischen East-Village-Saftschleppe zur reichen New Yorkerin oder zumindest New Jerseyerin?
    Dunia war schon immer auf Zack gewesen. Dunia war es, die Lula beigebracht hatte, wie man durch die Ankleidekabinen und Kosmetiktheken steuerte. Lula ermahnte sich, nicht neidisch zu sein. Lula hatte wahrscheinlich viele Dinge, die Dunia nicht hatte, obwohl ihr im Moment nichts einfallen wollte. Während sie das stockende Vorankommen ihrer Freundin über Mister Stanleys Vorgartenweg beobachtete, war Lula gleichzeitig überglücklich, sie zu sehen, und krank vor Neid auf Dunias Outfit. Lulas Freude hätte rein sein sollen. Dunia war gesund und außer Gefahr.
    Die beiden Freundinnen umarmten sich im Hauseingang.
    »Du riechst gut«, sagte Lula.
    »Ganz besondere Mischung«, sagte Dunia. »Aus Rosen, die nur alle zwanzig Jahre blühen.«
    »Du willst mich auf den Arm nehmen«, sagte Lula.
    »Ein bisschen«, sagte Dunia. »Nur alle zehn Jahre.«
    Sie umarmten sich erneut, und Lula drückte ihr Gesicht in Dunias Kaschmirschal. Erst nachdem die Gefahr vorbei war, wurde Lula klar, welche Sorgen sie sich um Dunia gemacht hatte.
    Dunia sagte: »Können wir jetzt reingehen? Ich friere mir den Du-weißt-schon-was ab.«
    »Entschuldige«, sagte Lula. »Kaffee?«
    »Amerikanischen«, sagte Dunia. »Wenn du den hast.«
    »Starbucks«, sagte Lula.
    Sie ging in Richtung Küche voraus, damit sie Dunias Reaktion auf Gingers Dekor und in weiterem Sinne auf Lulas Leben nicht mit ansehen musste. Dunia war eine Gesandte aus einer anderen Welt, eine Botin, die einen Spiegel trug. Inzwischen bemerkte Lula mit Erleichterung, dass Dunias Rosen bereits die modrige tote Luft verdrängt hatten, wie sie so typisch war für Häuser wie dieses, in dem sich schon vor langer Zeit jeglicher Spaß verabschiedet hatte. Warum sollte sich Lula dafür entschuldigen? Besser, sie überließ Dunia das Reden.
    Dunia folgte Lula in die Küche, setzte sich auf einen Hocker und lehnte beide Ellbogen auf den Tresen. Der Ansatz ihrer bleichen Brüste wölbte sich im V-Ausschnitt ihres taubengrauen Pullovers.
    »Hübsch hier«, sagte Dunia. »Gemütlich.«
    »Ist ja nur ein Job«, sagte Lula. Mister Stanleys Haus war ein Schritt nach oben, viele Schritte, von dem Zimmer der dürren Weißrussin in der Wohnung ohne Aufzug. Aber die Tasche, die Dunia auf den Tresen knallte, war viele Schritte aufwärts von Mister Stanleys Haus. Sie waren Freundinnen, sie liebten sich. Warum sollte es da auf eine Handtasche ankommen?
    »Bitte rauch nicht.« Lulas erhobene Hände umschlossen das empfindliche Ökosystem um sie herum.
    Dunia schüttelte den Kopf, steckte ihre Zigaretten aber wieder ein. »Ich bin dran gewöhnt. Es ist amerikanisch. Meinem Mann habe ich erzählt, ich hätte das Rauchen aufgegeben. Steve brachte dauernd Fotos von krebszerfressenen schwarzen Lungen nach Hause.«
    »Erzähl mir von Steve«, sagte Lula.
    Dunia sagte: »Was gibt’s da zu erzählen? Steve ist nett. Steve denkt positiv. Steve weiß, was er will. Steve ist reich. Ist Steve heiß? Nein, Steve ist nicht heiß. Auf den ersten Blick dachte ich, er wäre schwul. Irrtum. Steve ist nicht schwul. Er ist Amerikaner. Er möchte, dass ich amerikanisch bin. Wenn ich von meinem alten Leben rede, guckt er gelangweilt, also lasse ich es bleiben. Anfangs war er von allem Albanischen fasziniert. Doch jetzt möchte er mich neugeboren haben, er möchte, dass mein Leben an dem Tag begonnen hat, an dem wir uns kennengelernt haben. Keine Vergangenheit, keine Freunde, nur Englisch, außer …«
    Lula sagte: »Bist du deswegen verschwunden?«
    »Nicht so ganz«, sagte Dunia. »Aber klar, vielleicht doch. Ich hab’s versucht. Ich dachte, ich gebe der Ehe eine Chance. Steve ist ein Kontrollfreak. Er kriegt Wutanfälle, doch die lassen sich leicht vermeiden. Schalte nie das Alarmsystem ab oder lass den Wasserhahn laufen. Sonst gibt’s keine Probleme. Ich kann einkaufen, bis ich umfalle, als Gegenleistung für den Sex, der immer nur kurz und immer dasselbe ist. Zwei-, vielleicht dreimal pro Woche. Natürlich nahm seine Familie an, ich sei eine russische Nutte. Seine Mom, seine Schwester und seine Tanten haben mich tausendmal darüber verhört, wie wir uns kennengelernt haben. Anscheinend dachten sie, online

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