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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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oder über eine Anzeige im Telefonbuch. Also bin ich jetzt wie die Schöne der Erde. Ich lasse Steve jedes Mal dafür bezahlen, wenn er mich nackt sieht.«
    Lula beugte sich über den Tresen und küsste ihre Freundin auf die Wange. Ihr zu erzählen, dass sie eine Geschichte über die Schöne der Erde geschrieben hatte, war zu kompliziert. Trotzdem machte es sie glücklich, auch nur in Betracht zu ziehen, es ihr zu erzählen, und sich dann dagegen zu entscheiden.
    »Wofür war das denn?«, fragte Dunia.
    »Weil ich so froh bin, dich zu sehen«, sagte Lula. »Und wo hast du Steve kennengelernt?«
    »Am Flughafen.« Dunia griff erneut nach einer Zigarette, doch dann besann sie sich. »Mit dem Ticket für meinen Heimflug gab es ein Problem. Ich hätte es wissen sollen. Ich hatte es in einer Klitsche für Billigflüge gekauft, hinter einem Immobilienmakler in der Bronx. Der Typ am Eincheckschalter konnte mich auf den ersten Blick nicht leiden. Unsere Auseinandersetzung wurde hitzig. Ich hab ihn Arschloch genannt. Na und? Er war ein Arschloch. Außerdem ein Schlappschwanz. Dieses schlappschwänzige Arschloch vom Bodenpersonal forderte Verstärkung an. Ich dachte, das war’s. Ich fliege One-Way direkt nach Guantánamo.«
    Lula sagte: »Mein Anwalt hat einen Mandanten in Guantánamo.«
    »Wie traurig«, sagte Dunia. »Der Arme. Steve stand in der Reihe für die Businessclass. Er trat aus der Schlange und hat mich gerettet. Er hatte noch Zeit vor seinem Abflug. Das ist typisch für Steve, drei Stunden zu früh am Flughafen zu sein. Er wollte nach Nassau zu einer Schönheitschirurgen-Konferenz. Wir haben an einem dieser kleinen runden Tische mit hohen Hockern gesessen. Gott muss mir befohlen haben, in einem kurzen Rock zu reisen statt im Jogginganzug. Nach zwei Whiskeys fragte mich Steve: Wenn er seine Reise absagte, würde ich dann direkt mit ihm nach Hause kommen? Am nächsten Morgen sagte er, er würde sich um alles kümmern. Und das hat er getan.«
    »Muss ja eine tolle Nacht gewesen sein«, sagte Lula.
    »Für Steve schon«, sagte Dunia. »Ende der Geschichte. Er kennt Leute. Ich werde bald eingebürgert. Verheiratet mit einem amerikanischen Arzt. Ein wahr gewordener Traum.«
    »Nett.« Lula rieb die Handflächen aneinander, wischte die Hindernisse weg, die gewöhnliche Menschen überwinden mussten, um dorthin zu kommen, wo Dunia war. Sie erschauderte vor Selbstmitleid. Alle anderen hatten es leicht, alle außer ihr, alle bekamen die große Chance, die sie im Laufschritt auf dem Weg beförderten, auf dem sich Lula dahinschleppte, einen schwierigen Schritt nach dem anderen. Sie mahnte sich zur Geduld oder wenigstens etwas Stolz. Sie besaß ein Arbeitsvisum, sie würde eine Greencard bekommen, würde vielleicht eingebürgert, und das alles aus eigenen Stücken, ohne jemanden heiraten zu müssen, den sie nicht liebte. Andererseits konnte immer noch alles schiefgehen. Sie konnte nach Tirana ausgewiesen werden, und Dunia würde in ihrem schicken Haus sitzen und sich diese phantastischen Klamotten kaufen können.
    »Nichts ist leicht«, sagte Dunia. »Heute Abend beim Essen wird er mir von irgendeiner genialen Nasenkorrektur oder einer kniffligen Poverkleinerung erzählen. Aber wenn ich irgendwas sage, ganz egal was, greift er nach einer Zeitschrift. Wenn ich einen Körperteil gestrafft oder geliftet haben wollte, würde er es jederzeit umsonst machen. Sein Partner hat seiner Frau zu einem Dauerlächeln und einem Killerausschnitt verholfen.«
    »Und warum hast du mich jetzt angerufen?«, fragte Lula.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte Dunia. »Ich langweile mich.«
    »Hier kann es auch langweilig werden«, sagte Lula. Wie gut es sich anfühlte, das zu sagen. Von Zeit zu Zeit meinten Mister Stanley und Zeke, Lula müsse sich langweilen, und Lula stritt das stets ab. Nein, überhaupt nicht, sie finde immer etwas zu tun. Alvo und seine Freunde hatten angedeutet, Mister Stanleys Haus sei ein Mausoleum. Sie hatten gesagt, es rieche nach Grab.
    »Überall kann es langweilig werden.« Stirnrunzelnd betrachtete Dunia ihren perlmuttfarbenen Lippenabdruck auf Mister Stanleys Kaffeetasse. Mit angeleckter Fingerspitze tupfte sie an dem Fleck wie eine Mutter, die den Kuss einer anderen Frau vom Gesicht ihres Kindes wischt. »Der Tag hat so viele Minuten! Irgendwann wird Steve den Fahrer fragen – auf Spanisch –, was ich heute gemacht habe, darum ist es gut, dass mein Fahrer Steve von dir erzählen kann, weil Steve dann nicht eifersüchtig

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