Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen haben hübsche Beine

Lügen haben hübsche Beine

Titel: Lügen haben hübsche Beine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Schuster
Vom Netzwerk:
sich Sekunden später wie vorgesehen, und sie stürzte. Nach einer winzigen Schrecksekunde reagierte sie noch im Fallen instinktiv, ließ die Stöcke los, krümmte sich zusammen und schlang die Arme um Gesicht und Kopf. Sie versuchte sich so fallen zu lassen, dass sie seitlich rollen und sich nicht überschlagen würde. Es gelang ihr einigermaßen, doch sie hatte so viel Schwung drauf, dass sie nicht zum Stillstand kam. Sie rutschte immer weiter, und sah zwischen ihren Armen hindurch auf einmal, dass sie geradewegs auf den seitlichen Abgrund des Berges zusteuerte.
     

70
    I hr Tempo hatte sich ein wenig verlangsamt, aber ihr war klar, dass sie unweigerlich in die Schlucht stürzen würde, wenn sie nicht irgendwo einen Halt finden würde.
Sie konnte später nicht mehr sagen, wie es ihr gelungen war, es ging alles so schnell, dass sie kaum etwas mitbekam. Irgendwie bekam sie eine Baumwurzel zu fassen, und hatte alle Mühe, sich daran festzuhalten. Einen Moment fürchtete sie, ihre Hände würden unter dem Druck der Geschwindigkeit und ihres Körpers nachgeben, doch dann kam sie zum Stillstand, etwa fünf Meter vor dem Abgrund. Heftig keuchend und voller Schmerzen lag sie bäuchlings im Schnee, die Arme über dem Kopf ausgestreckt, mit den Händen krampfhaft die Wurzel umklammernd.
So verharrte sie eine ganze Weile, versuchte zu Atem zu kommen und den Schock zu überwinden.
Ihre Hände fingen an zu schmerzen, sie mussten beinahe das ganze Gewicht ihres Körpers halten, denn die Stelle, an der sie lag, war recht abschüssig.
Vorsichtig hob sie den Kopf, schaute sich um, überlegte, wie sie sich in Sicherheit bringen könnte.
»Jill«, hörte sie im gleichen Augenblick eine Stimme voll Entsetzen rufen.
Eine Gestalt in einem dunklen Skianzug kam herangefahren, die sich beim Näherkommen als Craig entpuppte.
»Craig«, stieß sie erleichtert aus, »Gott sei Dank.«
Vorsichtig fuhr er heran, hielt an dem Baum an, an dessen Wurzel Jill sich festkrallte.
»Keine Angst, das haben wir gleich«, sagte er beruhigend.
Er löste seine Ski, rammte sie in den Schnee und setzte sich dann so auf den Boden, dass er sich mit einer Hand am Baumstamm festhalten konnte. Er bohrte die Fersen in den Schnee, presste sie so weit hinein, bis er einen sicheren Halt hatte. Danach streckte er einen Arm zwischen seinen Beinen hindurch nach Jill aus.
»Okay, gib mir eine Hand.«
Sekundenlang lief ein Film vor ihren Augen ab. Sie sah seinen Laptop mit der merkwürdigen Mail, sah ihn Grace umarmen, sah ihn in seinem durchnässten Anzug neben ihr am Pool knien. Wieso war er hier? Woher wusste er, wo sie war? Konnte sie ihm vertrauen?
Ein Gefühl des Zweifels stieg in ihr auf, und sie zögerte. Doch dann wurde ihr klar, dass es keine Rolle spielte, sie war der Situation so oder so ausgeliefert und hatte keine Wahl.
Langsam löste sie eine Hand von der Baumwurzel und streckte sie ihm entgegen.
Er packte ihr Handgelenk, zog sie vorsichtig ein Stück weit zu sich.
»Jetzt die andere«, befahl er, und sie gab den letzten Rest Sicherheit auf und ließ los.
Sofort hatte er auch ihr anderes Handgelenk gepackt, zerrte sie zwischen seine Beine und rutschte mit ihr hinter den Baum.
In diesem Augenblick wurde ihr erst richtig bewusst, wie knapp sie dem sicheren Tod entronnen war. Eine grenzenlose Erleichterung durchströmte sie, gleichzeitig fing sie heftig an zu zittern.
Er zog seine Handschuhe aus, drückte ihren Kopf an seine Brust, hielt sie fest und streichelte ihr beruhigend übers Haar.
Trotz der dicken Skianzüge spürte sie seine Wärme, sie kuschelte sich an ihn, und nachdem sie eine ganze Weile stumm dagesessen hatten, fühlte sie sich ein wenig besser.
»Danke«, flüsterte sie verstört, »Ich hätte mich nicht mehr lange festhalten können. Wenn du mich nicht gefunden hättest …«
»Scht«, unterbrach er sie, »darüber werden wir gar nicht erst nachdenken. Wir müssen jetzt zusehen, wie wir dich nach unten kriegen. Bist du verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Mir tun zwar alle Knochen weh, aber es ist wohl nichts gebrochen.«
»In Ordnung. Halt dich am Baum fest, ich werde jetzt aufstehen.« Langsam richtete er sich auf, half ihr anschließend ebenfalls vom Boden hoch. »Wir laufen dort zur Piste, dann werde ich dich huckepack nehmen. Es ist nicht mehr weit bis ins Tal, für das kurze Stück wird es gehen.«
Er schulterte die Ski, legte ihr einen Arm um die Taille, und vorsichtig stapften sie in Richtung Piste. Dort schnallte

Weitere Kostenlose Bücher