Lügen haben hübsche Beine
sie sich.
»Jill, ich habe schon ein paar Mal versucht, dich zu erreichen. Wo warst du denn?«
»Ich war einkaufen.«
»Du hättest das wirklich mich machen lassen sollen«, begann Alice wieder zu lamentieren. »Ich verstehe immer noch nicht, warum du gestern plötzlich so abweisend warst.«
»Mom, hör zu«, sagte Jill, und ließ sich auf die Couch fallen. »Ich finde es ja schön, dass du dich so um mich kümmerst, aber ich bin kein kleines Kind mehr. Ich kann meine Einkäufe allein erledigen und auch alles andere. Außerdem wollte ich dieses Wochenende mal meine Ruhe haben und ausspannen, und mir war das einfach zu viel.«
»Zu viel?«, wiederholte Alice empört. »Ich bin deine Mutter, das kann dir doch nicht zu viel sein. Ich mache mir eben Sorgen um dich. Und hättest du dir helfen lassen, dann wären dir vorhin sicher nicht die Brötchen heruntergefallen.«
Jill schnaubte zornig. »Hat die alte Klatschtante dich schon wieder angerufen, das hätte ich mir ja denken können. Wag dich ja nicht, diese Frau noch einmal mit in meine Wohnung zu bringen, sonst schmeiße ich sie achtkantig raus.«
Craig, der unterdessen in der Küche das Geschirr abgespült hatte, setzte sich zu ihr, und zog sie beruhigend an sich.
»Aber ich bin so froh, dass jemand da ist, der ein bisschen auf dich achtet. Was ist denn bloß los mit dir? Du bist doch sonst nicht so bockig. Ist da in der Villa irgendetwas passiert? Hat dich einer von diesen Typen belästigt?«
»Nein, es hat mich niemand belästigt, es ist alles in Ordnung«, betonte Jill, und Craig grinste.
»Ich könnte nachher vorbeikommen und etwas für dich kochen«, schlug ihre Mutter jetzt vor.
»Nein Mom, du wirst nicht hierher kommen«, stöhnte sie genervt auf. »Ich brauche meine Ruhe.«
»Ich störe dich auch gar nicht. Du kannst dich ausruhen und ich kümmere mich ums Essen und deine Wäsche.«
Jill warf Craig einen verzweifelten Blick zu und verdrehte die Augen. Dann sagte sie spontan: »Nein Mom, das ist nicht nötig. Ich fahre in einer Stunde zurück in die Villa.«
»Was? Aber … wieso das jetzt so plötzlich? Du hast doch extra eingekauft?«, fragte ihre Mutter argwöhnisch.
»Ja, ich habe es auch erst vorhin erfahren. Und die Lebensmittel nehme ich mit, wir müssen uns da nämlich selbst versorgen«, erklärte Jill.
Gleichzeitig schoss ihr durch den Kopf, dass dies wohl die erste wahre Aussage war, die sie ihrer Mutter erzählt hatte.
»Ach Jill, das ist alles nicht gut für dich. Ich mache mir so entsetzliche Sorgen.«
»Das brauchst du nicht Mom, es geht mir wirklich sehr gut. Ich muss jetzt Schluss machen, ich muss meine Sachen einpacken. Machs gut, ich melde mich bei dir.«
»Machs gut«, murmelte ihre Mutter enttäuscht, und mit einem erleichterten Aufatmen legte Jill den Hörer auf.
»Puh, was eine schwere Geburt. Aber zumindest wird sie dieses Wochenende hier nicht wieder erscheinen.«
»Hast du denn kein schlechtes Gewissen bei deiner ganzen Schwindelei?«, fragte Craig leise.
Sie kuschelte sich in seine Arme. »Doch habe ich, und es tut mir auch leid. Aber ich kann ihr nicht die Wahrheit sagen, sie würde sich noch viel mehr Sorgen machen, wenn sie wüsste, dass wir beide …«
»… ziemlich unanständige Dinge miteinander tun«, ergänzte er schmunzelnd. »Aber du bist sechsundzwanzig Jahre alt, und sie kann nicht ewig auf dich aufpassen.«
»Ich weiß«, sagte Jill leise. »Das kommt wahrscheinlich daher, dass sie immer alleine für mich sorgen musste. Mein Vater hat sie kurz vor meiner Geburt sitzengelassen, weil seine Eltern ihm eingeredet hatten, dass meine Mutter nicht ‚standesgemäß‘ für ihn sei. Er kam aus einer gutbetuchten Familie, und meine Mutter war nur eine kleine, armselige Haushaltshilfe. Während er ihr vorgeheuchelt hat, dass er sie liebt, war er schon längst mit einer Frau aus seinen Kreisen liiert. Als nicht mehr zu übersehen war, dass meine Mutter schwanger war, haben seine Eltern ihr eine großzügige Abfindung gezahlt, damit sie aus seinem Leben verschwindet. Sie wollte sich nicht kaufen lassen, aber dann wurde ihr sehr schnell klar, dass er nicht die Absicht hatte, sie jemals zu heiraten, und dass sie mit dem Kind allein sein würde. Also hat sie das Geld genommen. Es hat gerade gereicht, um eine Wohnung zu finden, und sie bis zur Zeit meiner Geburt über Wasser zu halten. Danach hat sie sich krumm und bucklig geschuftet, um mich großzuziehen. Sie war ganz allein mit all der Verantwortung, und ich denke, das ist der Grund,
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