Lügen haben hübsche Beine
Wochenende. Und es würde mit jedem Tag schwerer werden, mit jedem Lächeln von ihm, mit jeder Berührung, mit jedem Kuss.
Langsam stieg sie aus der Dusche, wickelte sich in ein Handtuch und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Lange und nachdenklich betrachtete sie sich, um sich dann einzugestehen, was sie die ganze Zeit nicht wahrhaben wollte.
Sie war nicht nur in ihn verliebt.
Sie liebte ihn. Es war verrückt, aber sie liebte ihn.
Sie war verrückt. So verrückt, dass sie sich weiter mit ihm einlassen würde – bis zum bitteren Ende.
46
D en Dienstag verbrachten die Mädchen von morgens bis abends im Trainingsraum, nur unterbrochen von einer kurzen Mittagspause. Es war anstrengend, doch im Gegensatz zu sonst waren alle mit Feuereifer bei der Sache. Harriet schaute nur ein- oder zweimal kurz herein, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, die übrige Zeit waren sie mit Lindsay allein.
Lindsay verstand es hervorragend, die Mädchen zu motivieren, sie sparte zwar nicht mit Kritik, aber sie verteilte auch Lob, und es machte allen großen Spaß.
Wann immer sie Gelegenheit dazu hatte, beobachtete Jill Lindsay unauffällig. Neidlos musste sie zugeben, dass die Schwarzhaarige wirklich extrem gut aussah. Sie trug ein rotes Kostüm, dazu eine weiße Bluse, die einen reizvollen Kontrast zu ihrem dunklen Teint bildete. Ihre schwarzen Haare waren zu einer modernen Kurzhaarfrisur geschnitten, die ihr Gesicht betonte und ihre rehbraunen Augen zur Geltung brachte.
Es war nicht nur ihr Aussehen, das ihren Reiz ausmachte, sondern auch ihre Art. Entgegen Jills Annahme, dass Frauen wie sie arrogant und zickig sein mussten, entpuppte Lindsay sich als sehr nett und freundlich. Sie wurde nicht müde, Fragen zu beantworten, hatte trotz der Fehler, welche die Mädchen nach wie vor machten, eine grenzenlose Geduld mit ihnen. Unermüdlich lief sie neben ihnen her, korrigierte Haltung und Bewegung, und hatte ungeachtet aller Anstrengung immer noch Zeit für einen Scherz und aufmunternde Worte.
Jill fand sie äußerst sympathisch, und obwohl sich ihre bohrenden Gedanken inzwischen ein wenig verflüchtigt hatten, wusste sie nicht, ob das nun positiv oder negativ war.
Nachdem Craig am Abend angerufen hatte, schlich sie wieder ins Obergeschoss, und wie in der Nacht zuvor blieb sie bei ihm, bis der Wecker klingelte.
Noch im Halbschlaf krabbelte sie aus dem Bett und angelte nach ihren Sachen.
»Mist«, fluchte sie leise, als sie ihr T-Shirt nicht finden konnte. Einen Moment überlegte sie, ob sie das Licht anmachen sollte, doch sie wollte Craig nicht wecken, also tastete sie weiter blind auf dem Boden herum. Ihre Finger erwischten ein Stück Stoff, und als sie es einen Augenblick lang befühlt hatte, stellte sie fest, dass es sich um Craigs Hemd handelte.
»Für die paar Schritte wird es gehen, um die Uhrzeit ist sowieso niemand wach«, dachte sie müde.
Kurzentschlossen zog sie es über und knöpfte es notdürftig zu. Dann drückte sie ihm wie am Morgen zuvor noch einen leichten Kuss auf die Wange und stahl sich aus dem Zimmer.
Sie huschte die Treppe hinunter und war gerade auf ihrer Etage angekommen, als eine rauchige Stimme ihr gedämpft »Guten Morgen« wünschte. Erschrocken hielt sie inne und starrte Lindsay an, die im gleichen Augenblick aus dem Erdgeschoss heraufgekommen war.
»Guten Morgen«, murmelte sie verlegen.
Lindsay trug einen Morgenrock und hielt eine Flasche Sodawasser in der Hand. »Ich brauchte was, um eine Kopfschmerztablette herunterzuspülen«, sagte sie leise.
Einen Moment lang befürchtete Jill, die Schwarzhaarige würde von ihr jetzt ebenfalls eine Erklärung erwarten, und zermarterte ihr schlafumnebeltes Hirn auf der Suche nach einer Ausrede.
Doch Lindsay nickte ihr nur freundlich zu. »Bis später.«
»Bis dann«, murmelte Jill erleichtert.
Sie war gerade einen Schritt auf ihre Zimmertür zugegangen, als Lindsay sie mit einem »Ach übrigens …« zurückhielt.
Verdutzt drehte Jill sich um, schaute sie an fragend an.
Lindsay lächelte. »Das Hemd steht dir gut.«
Mit weichen Beinen sackte Jill auf ihr Bett.
»Das war es dann wohl. Es ist alles aus«, schoss es ihr durch den Kopf.
Wütend über ihre eigene Dummheit hieb sie mit der Faust auf das Kopfkissen.
»Wie konnte ich nur so unvorsichtig sein und dieses Hemd anziehen?«
Ihr war klar, dass Lindsay genau wusste, wessen Hemd das war, Craig hatte es gestern schließlich den ganzen Tag getragen. Und sie hatte sie von oben herunterkommen
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