Lügen haben rote Haare
die Spekulationen. Sie bricht in Begeisterungsschreie aus, als sie von dem Fleisch probiert. Wir stimmen mit ein; das Messer fällt förmlich durch die Fleischfasern. Ich bin froh, dass Machungwa den roten Faden wieder aufnimmt.
»Und wenn er dich wahrhaftig liebt, Karo? Wäre es möglich, dass du die Signale falsch deutest?«
Der Strauß bleibt mir fast im Halse stecken. »Unsinn. In erster Linie ist er in Bert verliebt, das hat er mir klipp und klar gesagt. Er fühlt sich einsam ohne ihn. Und zweitens hat er in Vivi die Partnerin gefunden, die wohl gegen eine Dreierbeziehung nichts einzuwenden hat. Für mich wäre das nichts.« Der letzte Satz verlässt leise meine Lippen. Meine Stimmung schlägt um, wie aus heiterem Himmel überfällt mich eine tiefe Traurigkeit.
Nach dem Essen setzen sich alle auf den Steg am Schwimmteich und lassen die Füße ins Wasser baumeln. Ich helfe Machungwa beim Tischabräumen, obwohl er lautstark protestiert. In der Küche lehnt er sich an die Spüle und beobachtet mich. Er hat bemerkt, dass ich melancholisch geworden bin.
»Ich bin auch einen langen Irrweg gelaufen, Karo, bis ich erkannt habe, was ich wirklich will.«
»Und was willst du wirklich ?«
Er deutet auf ein Bild an der Wand, das eine rassige Afrikanerin zeigt, die ein niedliches Baby auf dem Schoß hält.
»Meine Frau Ratiba und Tutu, mein Sohn. Das will ich wirklich.«
»Du bist verheiratet, Machungwa?« Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit der Tatsache, dass der Medizinmann eine kleine Familie hat.
Er nickt. »Ja, davongelaufen bin ich. Man kann einen Weg nur zurückgehen, wenn man ihn gegangen ist. Ich gehe ihn gern zurück. Ratiba ist eine ganz besondere Frau.«
Seine große Hand greift behutsam nach meinen roten Locken, die er sanft durch die Finger gleiten lässt.
»Du bist auch etwas ganz Besonderes, Karo. Du weißt es nur noch nicht, weil es dir noch niemand gesagt hat, der dich wahrhaftig liebt. Es können dir tausend Menschen versichern, dass du etwas ganz Besonderes bist. Der richtige muss es aussprechen, erst dann wirst du es glauben.«
»Weiß Willi, dass du Familie hast?«
Machungwa schüttelt langsam den Kopf. »Nein, außer dir habe ich es niemandem erzählt. Ich hatte mit Willi seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Wir sind uns nach meiner Ankunft hier zufällig über den Weg gelaufen. Außerdem, es fällt mir nicht leicht, über private Angelegenheiten zu reden. Vielleicht bin ich auch nur zu feige, um meine eigenen Fehler zuzugeben. Komm, lass uns zurück in den Garten gehen.«
Ich bin froh, dass er mich nicht bittet, nicht mit den anderen darüber zu schwätzen. Es tut gut, dass Machungwa mir vertraut, ohne großartig viele Worte zu machen.
In dem Medizinmann habe ich einen Freund der anderen Art gefunden.
Willis Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Er ist sehr sensibel, empfänglich für Worte, die zwischen den Zeilen stehen. Zu gerne wüsste ich, was er da zu lesen glaubt. Meine Gedanken schweifen zu Vivi und Paul, und da werden sie wohl auch für den Rest des Abends verweilen.
Ohne zu kapieren, worum es geht, lache ich mit, wenn gewitzelt wird, und bin froh, dass Simone gegen 23 Uhr mit Heiners Autoschlüssel winkt. Jeder verabschiedet Machungwa mit lieben Worten, gegenseitig wünschen wir uns alles Gute. Der Medizinmann verspricht hoch und heilig, dass es auf jeden Fall ein Wiedersehen geben wird.
Simone startet Heiners Auto, dann schwärmt sie: »Leute, das Essen war so lecker, ich schwöre euch, ich gehe eine Woche nicht aufs Klo.«
Bruni steckt uns alle mit einem Lachkrampf an, wir können nicht aufhören, und die gute Simone kann wieder einmal nicht verstehen, was daran so lustig sein soll.
36. Organisator Paul
Dr. Weinforth ist ein Wunderheiler. Die Allergie existiert nur noch in meiner Krankenakte, die sich in seiner Praxis befindet. Meine Stimmung ist ebenfalls besser, ich klammere mich an Willis ›Haken‹, wobei ich nicht weiß, ob es ihn überhaupt gibt. Spontan beschließe ich, etwas später ins Büro zu fahren; Geigenpaul kriegt es eh nicht mit. Zähneknirschend lenke ich meinen Corsa zur Sparkasse. Hätte ich doch Connys Quengelei nicht nachgegeben; wenn Anton auf stur stellt, bin ich die Kohle los. Mit einem unguten Gefühl verstaue ich das Geld in meinem alten, aus Jugendherbergszeiten stammenden Brustbeutel, sicher ist sicher.
Bruni sieht mich entgeistert an, als ich ihr von Connys Vorhaben berichte und mich darüber tierisch aufrege.
»Ich will
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