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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Marie Käfer
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Luft.
    Mit Schwung wuchte ich die Reisetasche in den Kofferraum; zielsicher steuere ich die nächstgelegene Apotheke an, in der ich nach den stärksten Pillen gegen innere Unruhe verlange, die rezeptfrei erhältlich sind.
    »Da habe ich etwas Feines für Sie. Eine hochkonzentrierte Mischung aus Baldrian und Hopfen. Möchten Sie eine Packung mit zwanzig oder fünfzig Dragees?« Der alte Apotheker lugt fragend über seine Brille, die auf der Nasenspitze sitzt.
    »Hundert. Ich nehme zwei Packungen à fünfzig Stück.« Der alte Mann hebt die Augenbrauen, dann verschwindet er kurz.
    Während er zielsicher einen Apothekerschrank öffnet, brennt mir eine Frage auf der Zunge. »Waren Sie eigentlich schon mal in den Bergen, Herr …?« Weil ich seinen Namen nicht weiß, nuschele ich etwas Unverständliches.
    »Nehehehe, ich bin doch nicht verrückt. Ich leide unter Höhenangst.«
    Ich werfe die geforderte Summe auf die Theke, raffe die Pillenpackungen zusammen und verlasse fluchtartig das Pillendepot.
    Im Aufzug treffe ich ausgerechnet auf Dröpjes, der die Todesanzeigen in der Tageszeitung studiert. Auch hier kann ich mir die Frage nicht verkneifen. »Waren Sie eigentlich schon mal in den Bergen, Herr Dröpjes?«
    Ohne aufzublicken, schüttelt er mit dem Kopf. »Im Leben nicht. Wissen Sie, die Cousine einer Freundin meines Freundes hat sich mal so derbe bei einem Skiunfall die Beine gebrochen, seitdem trägt sie Metallplatten an sämtlichen Knochen unterhalb der Gürtellinie.«
    Meine Hände krallen sich um den Griff meiner Handtasche.
    Dröpjes seufzt. »Vieeel zu gefährlich. Im Winter ist es der Schnee, im Sommer sind es die Geröllfelder. Schönen Tag noch, Frau van Goch.«
    Am Schreibtisch überfliege ich den Beipackzettel; statt der empfohlenen Dosierung, dreimal täglich ein Dragee zu schlucken, fange ich mit einmal täglich drei Dragees an.
    Dankbar greife ich nach dem Glas Wasser, das mir Bruni mit einem aufmunternden Blick reicht. »Gleich siehst du das Ganze viel gelassener.«
    Es ist nervig, dass meine Freundin sich alle fünf Minuten nach meinem Befinden erkundigt. Geigenpaul teilt mir telefonisch mit, dass er heute nicht mehr ins Büro käme, Dröpjes würde ihn vertreten. Abschließend befiehlt er regelrecht, dass ich spätestens um 13 Uhr bei meinen Eltern eintreffen solle; er werde uns mit einem Großraumtaxi abholen. Das Medikament fängt tatsächlich an zu wirken; es ist nicht nur Balsam für meine Nerven, nein, ich verspüre auch eine stimmungsaufhellende Wirkung. In der Kantine ordere ich eine doppelte Portion Bratfisch mit Remouladensauce und erkundige mich angstfrei bei Ulrike und Heike, ob sie jemals Erfahrungen als Gebirgsurlauberinnen gemacht hätten. Heike verneint, Ulrike kramt in ihrem Gedächtnis.
    »Als Kind war ich einmal mit meinen Eltern in Österreich am Pillersee. Ich erinnere mich sehr gern daran zurück. Wenn du willst, kann ich dir mal Fotos zeigen. Wunderschön. Blühende Almwiesen, Kühe, Glockengeläut, frische Buttermilch. Der Sohn unseres Vermieters, der Seppi, war Bergsteiger. Er hat mir immer Bonbons zugesteckt. Aber nur den halben Urlaub, danach war er hinüber.«
    Heike, Bruni und ich stellen gleichzeitig die Frage. »Tooot?«
    Ulrike lacht. »Nein, nicht ›toooot‹!«
    Ich atme erleichtert auf.
    »Man sagt dort nicht einfach nur ›tot‹ … Man sagt ehrfürchtig: ›Er ist am Berg geblieben.‹«
    Na dann! Baldrian und Co. lassen mich albern kichern.
    Die Verabschiedung von meiner Freundin fällt stürmisch aus. Wir liegen uns in den Armen. Bruni muss hoch und heilig versprechen, falls mir etwas im Allgäu zustoßen sollte, eine kleine Schiefertafel auf mein Grab zu stellen: Sie ist am Berg geblieben.

38. Paulchen
    Gongschlag 13 Uhr hält das Großraumtaxi vor dem Haus meiner Eltern; die Zwillinge hüpfen aufgeregt umher und trällern das Heidi-Lied . Paul hilft dem Taxifahrer, der sich als »Türke Mehmet« vorstellt, das Gepäck zu verstauen. Mir kommt die Situation so grotesk vor, dass ich mich am liebsten vor Lachen schütteln würde. Meine Mutter hat zur Feier des Tages ihren Sonntagshut aufgesetzt, zu dem leichten Sommerkleid trägt sie derbe Bergschuhe. Opa Heini und mein Vater tragen Partnerlook. Knickerbocker, dazu karierte Strümpfe. Geigenpaul trägt zu Jeans in der Tat eine leichte Jacke im Trachtenlook. In seltener Eintracht werfen Conny und ich uns einen amüsierten Blick zu.
    Als alle angeschnallt sind, gibt Türke Mehmet zu heimatlichen Klängen so

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