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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Marie Käfer
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halbes Jahr, also sechs Monate.« Sie schickt mir einen bösen Blick.
    »Mensch, Schwesterherz, das war ein Scherz! Bring die Kinder wieder vorbei, wenn du mir das nächste Mal ein Kleid sponsern willst.« Auch diesen Scherz versteht Conny nicht, sie verlässt meine Wohnung, ohne sich zu verabschieden. Na ja, wenigstens wissen die Zwillinge, was sich gehört. Zum Abschied ernte ich zwei dicke Schmatzer.
    Als Single überlegt man an Samstagabenden schon mal, was man unternehmen soll. Allein vor dem Fernseher ist eine grauenhafte Vorstellung, wetten, dass man da bald Schimmel unterm Hintern kleben hat? Ich versuche Bruni anzurufen … besetzt. Also simse ich ihr, dass mein neues Kleid und ich tanzen gehen möchten, und frage, ob sie uns Gesellschaft leisten will. Bruni simst wenig später retour, dass ihre neuen Schuhe ebenfalls Lust auf gute Musik hätten.
    Wir sprechen uns kurz danach telefonisch ab, verabreden uns für 21 Uhr und vereinbaren, nicht ein Wort über den Trauerfall zu verlieren. Bruni verspricht, ihre Cousine Simone zu mobilisieren. Simone ist zwar einhundertneunundachtzig Zentimeter dämlich, deshalb umso dankbarer, wenn sie jemand fragt, ob sie nicht Lust hätte mit auszugehen. Und weil sie so dankbar ist, erklärt sie sich stets bereit, den Chauffeur zu spielen, wofür Bruni und ich wiederum dankbar sind. So wäscht eine Hand die andere.
    Mit Softwicklern in den Haaren lege ich mich aufs Bett und beobachte Gisela , die träge an einem Salatblatt knabbert.
    Verflixt, Nikolaus ist wieder da .
    »Du hast es gut, meine Liebe«, sage ich gähnend. »Manchmal beneide ich dich um deinen dicken Panzer.«
    Mir fallen Opa Heinis Worte wieder ein.
    »Denk mal an Onkel Egon. Die Leiche hattest du auch lange im Keller liegen, bevor sie verblasst ist.«
    Stimmt. Onkel Egon war Opa Heinis Bruder, er lebte mit Tante Leni in Todendorf auf der Insel Fehmarn, in einem großen alten Bauernhof mit allem, was dazugehörte. Kühe, Schafe, Schweine, die vielen Fliegen und Mücken in den Sommermonaten nicht zu vergessen. Damals lebte Oma Fine noch und unsere gesamte Familie besuchte Tante Leni und Onkel Egon, so oft es ging. Insbesondere während der Hochsommerzeit, weil mein Vater der Meinung war, dass die Luft auf der Insel besonders gesund sei und der Urlaub »für umme« wäre.
    Da es im Stall, hinter dem Haupthaus, vor Frischfleisch nur so wimmelte, und Onkel Egon außerdem eine Schafherde auf dem Deich in Westermarkelsdorf sein Eigen nennen durfte, gab es Fleisch, Wurst und Milch en masse. Also fielen sechs Esser mehr am Tisch nicht großartig ins Gewicht.
    Opa Heini hat immer besonders zugelangt und bestens gelaunt geschwärmt, dass er sich wie bei der Kinderlandverschickung vor dem Zweiten Weltkrieg fühle. Obwohl meine Schwester und ich nicht wussten, was eine Kinderlandverschickung war, nickten wir zustimmend, denn wir waren ja schließlich Kinder auf dem Land.
    Tagsüber tobten Conny und ich am Bojendorfer Strand. Meine Eltern und Großeltern wechselten sich mit (in einem) Strandkorbsitzen ab, weil zwei Strandkörbe zu teuer gewesen wären. Besonders schön haben wir Kinder es gefunden, am späten Abend noch einmal mit Onkel Egon in den Kuhstall zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen.
    Dann kam der Tag, an dem meine Mutter Conny und mir während eines Urlaubes in Todendorf erklärte, dass Onkel Egon unerwartet ›eingeschlafen‹ sei. Damals war ich ein Knirps von fünf Jahren, und es war für mich nichts Besonderes, dass Onkel Egon unerwartet eingeschlafen war. Mir war das auch schon ganz oft passiert. Zum Beispiel auf dem Weg nach Fehmarn. Oder vor dem Fernseher.
    Nach einem Tag hatte ich aber die Faxen dicke und schlich, obwohl es mir verboten war, in die Kammer, in der Onkel Egon schon so lange schlief, um ihn zu wecken.
    In der Kammer roch es zwar nicht so gut, es sah aber ganz gemütlich aus. Es brannten viele große Kerzen in dem Raum, Onkel Egon lag schick angezogen auf dem Rücken auf einem Bett.
    »He … du! Aufstehen!« Ich zuppelte ihn fest am Ärmel, aber Onkel Egon rührte sich nicht. Dann klatschte ich ihm mit beiden Händen feste auf die Wangen und wurde etwas lauter. »Heee, duuu …, aufstehen! Ich will in den Stall.«
    Danach erschrak ich fürchterlich, weil Tante Leni plötzlich hinter mir im Zimmer stand und entsetzt schrie: »Bei allen Heiligen, das Kind stört ja die Totenruhe!«
    Ich registrierte nur das Wort tot , von dem ich sehr wohl wusste, was es bedeutete.
    Folglich schrie ich

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