Lügen haben rote Haare
auf der Glasplatte, Simone hat irgendetwas buntes Alkoholfreies vor sich stehen.
Woody, der in Wirklichkeit Willi heißt, entpuppt sich als echte Stimmungskanone. Er bemerkt trocken, dass Simone im Sitzen eine passable Größe habe. Wir trinken Bruderschaft. Für den dazugehörigen Kuss hält er Bruni und mir lediglich die Wange hin.
»Man kann ja nie wissen! Manche Mädels haben flinke Zungen.«
Bruni und ich bekommen einen Lachanfall, Simone darf ihn aufs Mäulchen küssen.
Neben uns, in einer engen Nische, sitzen zwei Männer sehr dicht beieinander. Die Gesichter kann man im Schummerlicht nicht richtig erkennen. Beide tragen gelbe Hemden.
Willi prostet ihnen wohlwollend zu. »Schau, schau, die FDP auf Betriebsausflug.«
Simone schaut mit angestrengtem Gesicht und zusammengekniffenen Augen in die Richtung. »Ich kann nichts erkennen«, mault sie.
Bruni lässt sich erweichen und reicht ihrer neuen ›Freundin‹ die Brille, die sie für den Rest des Abends behalten darf.
Bei drei Trinkern ist eine ›Hausmarke‹ ja flott leer, also ordern wir direkt zwei neue Flaschen.
Der DJ legt Markus Schulz Future Cities auf, mit Begeisterungsrufen stürmen wir zu viert die Tanzfläche.
Der Leuchtturm, sorry, Simone bewegt sich, als hätte sie einen Stock im Hintern, Willis Füße heben sich abwechselnd so schnell, als würde er auf glühenden Kohlen stehen.
Bruni und ich kicken mit erhobenen Händen sexy (so fühlen wir uns jedenfalls) die Hüften aneinander, wobei ich aufpasse, mit meinen etwas zu breit geratenen nicht zu feste zu kicken.
Im Schullandheim, vor etwa 25 Jahren, habe ich auf diese Art und Weise eine Freundin mal vom Parkett gefegt und dadurch zu Fall gebracht.
So vergehen die nächsten zwei Stunden wie im Flug, das Kakadi füllt sich mehr und mehr. Alles ist gut. Prosten, dancen, Pipi machen, prosten, dancen, Pipi machen.
Bruni hat es aufgegeben, sich zu beschweren, dass niemand der Testosteron-Pakete mit uns Kontakt aufnehmen will, nur weil Simone und Willi neben uns sitzen. Sie knabbert Erdnüsse.
Etwas neidisch lugt sie ab und an auf Simone und Willi, die auf Tuchfühlung gegangen sind und sich gegenseitig Speichelproben spenden.
Mir sind die Testosteron-Pakete egal, ich genieße meinen Schwips und freue mich, dass alles so rund läuft.
Und kaum ist der Gedanke gedacht, kaum freue ich mich über die Unkompliziertheit des Lebens, ändert sich die Situation schlagartig.
Es ist so, als wenn du über die Autobahn in den Urlaub fährst und den Spruch loslässt: »Prima, ist ja überhaupt kein Stau!« Keine fünf Minuten später musst du bremsen und stehst im Verkehrschaos. Mindestens zwei Stunden zäh fließender Verkehr.
Ich entdecke Roger auf der Tanzfläche, meine Laune verschlechtert sich schlagartig. Unsere Blicke kreuzen sich und ich kann gar nicht mehr verstehen, warum ich am frühen Abend noch so scharf darauf war, dass er mich in dieser Montur sieht.
Ricarda tanzt, wenn man es denn tanzen nennen kann, mit dem Rücken zu mir. Rogers Kopf zuckt permanent Richtung Toilettentrakt, als hätte er einen Tic.
Jetzt hat Bruni ihn ebenfalls im Visier. »Was will denn der Pillemann hier? Warum zuckt der so?«
An ihrer Mimik erkenne ich, dass sie einen Schluckauf unterdrücken möchte, ihr Zwerchfell gewinnt diesen Kampf.
»Hicks … hicks!«
Ich überlege laut. »Vielleischt soll ich ihm den Lullemann auf dem Pissoir halten?«
Bei der Vorstellung müssen wir laut lachen, Bruni hickst erneut. Während ich eher nach übermäßigem Alkoholkonsum zu leichtem Nuscheln neige, überfällt Bruni ein unentwegter Schluckauf.
Roger zuckt jetzt so kräftig, als wolle er seinen Kopf vom Hals schleudern. Ich nicke gnädig und schon hören seine nervösen Zuckungen auf.
Ja doch, ich habe schon kapiert. Ich soll mal kurz rauskommen. Na, dann kann ich in einem Zug auch pinkeln gehen . Zwei Fliegen mit einer Klappe .
Beim dritten Versuch gelingt es mir, meine Handtasche unter den Arm zu klemmen und gleichzeitig aufzustehen.
An der Nische, in dem die beiden Männer sitzen, gerate ich ins Stolpern und falle auf ein gelbes Hemd, deren Ärmel mich mit einem sicheren Griff auffangen.
»Hoppla«, sagt der nette Mann von der FDP und hilft mir galant auf die Beine.
Ich reiche ihm dankbar die Hand. »Sie kriegen meine Schtimme bei der nächsten Wahl. Verschprochen!«
Er lacht herzhaft, so dass ich mich freue, dass er sich freut.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Trotz der Lautstärke
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