Lügen haben rote Haare
unschuldiger, in die Augen.
»Also, ich kann mir das nur so erklären«, sage ich im Brustton der Überzeugung, »dass die Reinigungsfrauen schon mal etwas entsorgen, was nicht entsorgt werden sollte.«
»Stimmt genau!« Brunis Gesichtshaut hat wieder eine normale Farbe. Sie schraubt den Flachmann sorgfältig zu und legt ihn zurück in die Schreibtischschublade, die sie mit einem lauten Knall schließt. Dankbar sieht sie die Assmann an. »Und was können wir für dich tun, liebe Ulrike?«
Sie nimmt ihren Schal ab und wirft ihn achtlos auf die Tastatur ihres PC. Die Assmann schwingt sich auf die Schreibtischkante und fingert an einer zugebundenen Skimütze mit langen Bändern, die sie an ihrem Gürtel befestigt hat. Sie schimpft leise, weil sich der Knoten nicht lösen lässt. Bruni und ich warten fragenden Blickes, was das werden soll.
Während Ulrike weiter fummelt, bringt sie stoßweise heraus: »Wir … haben schon einhundertundfünf Euro … allein … aus … der Buchhaltung zusammen.«
Bruni verschränkt die Arme. »Wir brauchen doch nicht so viel Geld für einen Belegschaftskranz.«
»Quatsch … Kranz!«
Endlich hat sie die Wollbänder entwirrt und legt das Wollteil vor uns hin. »Wir schließen Wetten ab, ob der Geigenpaul schwul ist oder nicht.«
Bruni und ich sehen uns verdutzt an.
»Heike ist auf die Idee gekommen. Heike Gebauer.«
Ich finde zuerst die Worte wieder. »So ein Blööödsinn, ehrlich! Wie sollten wir herausfinden, ob er schwul ist oder nicht. Was sagst du dazu, Bruni?«
Bruni scheint, im Gegensatz zu mir, die Wette nicht für so blödsinnig zu halten.
»Tja, warum nicht? Wir könnten ihn abends bespitzeln. Im Kakadi hat er ja auch mit einem Kerl in einer schummerigen Nische gesessen. Und mal ganz ehrlich, Karo, wenn die sich geküsst hätten, das hätte doch niemand gesehen! So dunkel, wie es da war? Zack ein Foto … und wir könnten uns ein paar schöne Klamotten kaufen.«
Bruni beißt sich auf die Lippen, zu spät, denn jetzt war es heraus.
»Was? Ihr habt den schon in flagranti erwischt? Ist das nicht diese Promi Diskothek … dieses Kakadi ?«
Ulrikes kleine Schweinsaugen huschen abwechselnd zwischen Bruni und mir hin und her.
Ich will das absolut nicht so stehen lassen. »Dreh uns nicht das Wort im Mund herum, Ulrike«, sage ich rigoros. »Wir haben gar nichts gesehen.«
Unter dem Tisch trete ich kräftig nach Brunis Beinen.
»Auaaa! Ja doch! Karo hat recht. Wir haben echt nichts erkennen können. Es war ja ganz dunkel. Die hätten sich auch geschäftlich treffen können. Allerdings, geschäftlich? Im Kakadi ?«
Ich trete noch fester zu, Bruni schreit erneut auf und reibt sich ihr Schienbein, während sie mich böse anfunkelt.
Sie rudert zurück. »Stimmt, das Treffen muss ja nichts mit seiner sexuellen Veranlagung zu tun gehabt haben. Aber, ich setze ebenfalls. Und ich sage ja, er ist schwul.«
Hastig kramt sie in ihrer Handtasche nach der Geldbörse und wirft tatsächlich fünfzig Euro in die filzige Mütze.
Dann sieht sie mich herausfordernd an. »Komm, sei keine Spielverderberin. Mach auch mit.«
Zögernd werfe ich zwanzig Euro hinterher und fühle mich gar nicht gut dabei. Während die Assmann das Wollteil wieder an ihren Gürtel bindet, erklärt sie die Spielregeln.
»Also, es muss ein Beweis erbracht werden, dass er schwul ist. Ich meine natürlich einen richtigen Beweis. Ein Foto, ein Video … halt eine eindeutige Situation. Hier ist Fantasie gefragt, wie man an derartige Beweismittel gelangen könnte.«
Im Geiste sehe ich die gesamte Belegschaft von Jummy-Gum , die hinter Paul Geiger herspioniert, und ärgere mich, dass ich mich überhaupt mit einem Einsatz beteiligt habe. Was für ein schwachsinniges Unternehmen.
Zufrieden trägt Ulrike unsere Namen und Einsätze in eine Liste ein, rutscht vom Schreibtisch, um sich auf den Weg nach weiteren Wetteinsätzen zu machen.
»Wenn das rauskommt, Bruni, sind wir alle dran.« Mit Brunis Schal wische ich an der Stelle über den Schreibtisch, an der die Assmann vor Sekunden gesessen hat.
»Sei keine Angstbuchse.«
Fröhlich pfeift sie die Melodie von Mickie Krauses Finger im Po Mexiko und räumt ihren Arbeitsplatz auf.
»Das nennt man Verleumdung, üble Nachrede … Gerüchte in die Welt setzen.«
Bruni gibt mir einen Nasenstupser. »Hör schon auf. Große Mädchen machen nicht mehr in die Hosen.«
Mit einer galanten Geste wirft sie mir ihren Schal um den Hals. Brunis gute Laune ist ansteckend.
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