Lügen haben rote Haare
in den Mund nehmen würde!« Kämpferisch sieht sie meinen Vater an. »Hermann! Da muss doch was zu machen sein. Wie kann man sich denn gegen eine so absurde Verleumdung wehren?«
Mein Vater kaut ruhig weiter. »Gar nichts kann sie dagegen machen. Das Wort eines Polizisten zählt mehr als das unserer Tochter, zumal, wenn ein Kollege dabei war.«
»Jau«, mischt sich Opa Heini ein. »Die Polizei hat immer recht, da kann man nichts machen. Früher sagte man zu einem Popel auch ›Bullemann‹. Ich habe während einer Verkehrskontrolle einem Polizisten gesagt, dass er einen fetten ›Bullemann‹ in der Nase hätte. Er hat sich dann umgedreht und in der Nase gepult. Und weil er angeblich keinen fand, hat er mir eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung aufgebrummt. Verulkt haben soll ich ihn, weil das Wort ›Bulle‹ fiel. Ich bin noch heute davon überzeugt, dass er das Beweismittel diskret vernichtet hat.«
Die Zwillinge kichern hinter vorgehaltener Hand.
»Ich musste um die hundert Mark zahlen. Das war damals verdammt viel Geld.«
»Fünfhundert Euro wird dich das mindestens kosten«, meint mein Vater.
»Na, siehst du«, sage ich gespielt heiter zu Conny. »So gut habe ich es nun auch wieder nicht«, was meine Schwester mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck quittiert.
Nachdem wir gemeinsam den Tisch abgeräumt und meiner Mutter in der Küche geholfen haben klar Schiff zu machen, übergibt mein Vater mir seine Autoschlüssel. Conny und die Kinder machen sich ebenfalls auf den Weg nach Hause.
Bevor ich in den Mercedes steige, hält Opa Heini mich zurück. »Hast du nun ›dienstgeiles Arschloch‹ gesagt … oder nicht?«
Kleinlaut gebe ich zu, dass ich es nicht nur gesagt, sondern auch so gemeint habe.
»Ich bin stolz auf dich«, raunt Opa Heini leise. »Sag mir Bescheid, wenn du weißt, was dich das kostet. Ich übernehme die Summe.«
Ich küsse den alten Mann auf beide Wangen. »Nee, Opa, lass mal. Das ist allein meine Schuld. Manchmal kann ich einfach nicht die Klappe halten. Da muss ich durch.«
9. Die Farbe Lila
Es war ein Witz, sich auf eine ruhige Arbeitswoche einzustellen. Ich schaffe es gerade noch, Bruni von der Strafanzeige und Connys erneuter Zwillingsschwangerschaft zu berichten, danach überschlagen sich die Ereignisse.
Die Piefke kommt ziemlich verkatert ins Büro, kriegt prompt einen Wutanfall, weil sie die Briefe nicht findet, die gestern Nachmittag auf ihrem Schreibtisch lagen.
Bruni und ich spielen unsere Schulterzucken-Rolle perfekt.
Durch verschiedene Spekulationen schließt sich Gundula unserer Vermutung an, dass eine Reinigungskraft dafür verantwortlich sein müsse, denn wer sollte sich schon an harmlosen Briefen vergreifen. Sie schimpft, weil sie die Dateien in ihrem Rechner nicht abgespeichert hat und alle Schreiben neu verfassen muss.
Bruni steht das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben.
Danach stürmt Jacob Geiger herein, im Gefolge vier Männer in weißer Arbeitskleidung, die nach Farbe riechen.
Nach einer kurzen Begrüßung verschwinden sie ins Chefzimmer, Jacob Geiger gibt Anweisungen.
Neugierig verfolgen Bruni und ich die Dialoge, denn die Tür bleibt weit geöffnet.
»Morgen früh kommt die Spedition. Das gesamte Mobiliar wird entfernt. Die Wände sollen einen neuen Anstrich bekommen. Ach ja, und der Teppichboden wird ebenfalls erneuert. Statt der Gardinen möchte mein Neffe Plissee an den Fenstern haben.«
Eine tiefe Stimme mischt sich ein.
»An welche Farben haben Sie gedacht?«
Ich habe freien Blick und schiele auf den Maler, der mit einem dicken Packen Farbkarten vor Jacob Geiger steht.
Der Gefragte kratzt sich am Kopf. »Mein Neffe hat angeordnet, dass die Damen bei der Farbauswahl behilflich sein sollen.«
Sogleich schreit er nach der Piefke und zeigt auf Bruni und mich. »Und Sie kommen auch. Na, kommen Sie schon. Sechs Augen sehen mehr als zwei.«
Der offensichtliche Chef der Truppe reicht uns die Hand und stellt sich vor.
»Heinrich Zybulla, aus Berufung Malermeister, für Sie kurz Heiner.«
Wir stellen uns ebenfalls mit unseren Vornamen vor, Frau Piefke verheimlicht allerdings die ›Gundula‹.
Heiner ist sehr groß, von kräftiger Statur und macht einen patenten und sympathischen Eindruck. Gundula zupft nervös an ihrem Haarknoten, der wie immer perfekt im Nacken sitzt, und räuspert sich. Sorgfältig blättert sie durch die Farbvorschläge.
»Also, ich fände ein helles Gelb nicht schlecht. Das heitert doch auf, nicht wahr.«
Jacob
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