Lügen haben rote Haare
zu tun, allerdings nicht mehr lange. Wir müssen uns beeilen. Ich erkläre euch alles im Auto.«
Während der Fahrt zu Madame kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Willi kennt die Besitzerin des exklusivsten Modeladens von Hamburg und Umgebung. Er überlässt Madame Gigi ab und an die Windflower II für mehrere Tage, im Gegenzug revanchiert sich Madame mit edler Robe. Wir sollten jetzt davon profitieren. Wenig später betreten wir mit vor Aufregung hochroten Wangen das noble Geschäft. Allein die Auslage im Schaufenster ist ein Traum aus edler Designerkleidung.
In dem Moment, als wir den Laden betreten, kann Bruni nicht an sich halten. »Kann mich mal jemand in den Hintern kneifen? Träume ich, oder ist das hier real?«
Madame Gigi, die uns mit geöffneten Armen empfängt, überhört Brunis Spruch großzügig. Sie verzieht keine Miene.
Die kleine, vom Scheitel bis zur Sohle durchgestylte Frau führt uns in einen Raum, der auf Knopfdruck glitzernde Kronleuchter zum Strahlen bringt. An den Wänden spiegelt sich ein Meer von kleinen Lichteffekten. Dann folgen Bussi hier und Bussi da. Nach einem kurzen Smalltalk kommt Willi auf den Punkt.
Mit flinken Fingern geht Madame ihre Kollektion durch. Zielsicher drückt sie Bruni und mir wunderschöne Kleider in die Hand. Sie fragt weder nach unserer Kleidergröße, noch nach unserem Geschmack. Wir wagen nicht einmal , der Wahl von Madame Gigi zu widersprechen. Sie strahlt eine solch elegante Autorität aus, der sich niemand zu widersetzen vermag.
Bruni und ich gehen in eine Umkleidekabine, die so groß ist wie meine Küche. In einem Sektkübel steht eine geöffnete Flasche Champagner mit zwei Gläsern. Daneben liegen in einer feinen Porzellanschale kleine braune Kekse, die mit Spicker versehen sind, damit man sie nicht mit den Fingern berühren muss. Mit zitternden Händen gieße ich uns von dem Sekt ein und reiche Bruni ein Glas. Misstrauisch beäugt sie die ungewöhnliche dunkle Farbe des Prickelwassers und hält sie gegen das Licht.
»Sieht aus, als hätte Madame persönlich in die Flasche gepinkelt«, bemerkt sie leise.
Ich presse eine Hand vor den Mund, eine vor den Bauch, weil mich ein Lachkrampf schüttelt. Bruni greift mit vielsagendem Blick nach einem Keks und ich sehe sie flehend an, keinen weiteren Kommentar abzugeben.
Von draußen hören wir, dass Madame Gigi sich jetzt Simone widmet. »Für Sie habe ich etwas ganz Besonderes …«, hören wir sie sagen.
»Sicher«, bemerkt Bruni kichernd und ahmt die Modekoryphäe nach. »Ein langes Kleid. Rot-weiß-gestreift für Madame Leuchtturm.«
Um mich von Brunis Humor abzulenken, schlüpfe ich in ein schwarzes Etuikleid mit U-Boot-Ausschnitt und kurzen Ärmeln. Fasziniert stelle ich fest, das Kleid oder keines. Ich drehe mich vor dem großen Spiegel und suche meine breiten Hüften, die wie von Zauberhand verschwunden sind.
Die edle Stickerei, die den Ausschnitt säumt, ist traumhaft schön.
Bruni ist ebenfalls in ein Etuikleid geschlüpft, welches sich elegant an ihren problemzonenfreien Körper schmiegt. Unsere Augen begegnen sich funkelnd im Spiegel. Madame Gigi, die ihren Kopf durch den samtenen Vorhang steckt, nickt anerkennend.
»Magnifique«, ruft sie entzückt. Sie öffnet den Vorhang.
Willi macht ebenfalls ein sehr zufriedenes Gesicht.
»Klasse seht ihr aus, Mädels, genauso wollte ich euch sehen.«
Gigi wuselt durch Brunis Haare und zupft gekonnt mit zwei Fingern einige Strähnchen in ihre Stirn. Kurz darauf bindet sie meine Haare provisorisch als Hochsteckfrisur zusammen.
»Tragen Sie die Haare hochgesteckt zu diesem Kleid, Kindchen, das streckt den Hals.«
Jetzt kommt Simone aus ihrer Kabine, ich muss neidlos gestehen, dass Madame hier ebenfalls die perfekte Wahl getroffen hat. Das knielange ärmellose ›kleine Schwarze‹, das paillettenbestickt ist, kleidet Simone ausgezeichnet.
Mit leicht geknickten Beinen steht sie staunend vor dem riesigen Spiegel und spielt verlegen mit ihren Händen.
Madame Gigi, die schätzungsweise knapp einhundertsechzig Zentimeter klein ist, steigt auf einen Hocker. Dabei klopft sie dem ›Leuchtturm‹ energisch auf den Rücken.
»Stehen Sie gerade, Kind. Seien Sie stolz auf Ihre Größe, um die Sie jedes Model beneiden würde. Schultern zurück! Kopf hoch!«
Während sie Simones Selbstbewusstsein mit wenigen Worten gekonnt stärkt, gibt sie auch hier Ratschläge für eine Frisur, die diesem Kleid gerecht wird.
»Tragen Sie Kontaktlinsen, Kindchen. Nicht
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