Lügen haben rote Haare
porös. Ich kümmere mich nach der Reparatur der Dusche darum.«
»Ihr braucht euch wirklich nicht zu kümmern …« Der Frosch in meinem Hals ist verschwunden.
»Lass mal«, lacht mein Vater und drückt liebevoll meine Hand. »Wir alten Rentner haben doch Zeit. Dein Paul wird sich freuen.«
Ich lache verunsichert. Conny kommt mit halbnassen Haaren angerauscht, die Zwillinge trotten schuldbewusst hinterher.
Nein, Nanni bohrt in der Nase.
»Karo, die Kinder haben oben ein wenig an der Tapete gemalt«, stammelt sie verlegen. »Mach dir keine Sorgen, ich wisch das gleich weg.«
Aus meinem Mund entweicht ein hysterisches Lachen. »Ach wo, ich mache mir keine Sorgen, warum sollte ich mir auch Sorgen machen?« Krampfhaft versuche ich, mich an die Regeln des Entspannungskurs zu erinnern, den ich vor acht Jahren an der Volkshochschule absolviert hatte. Einatmen, dabei bis fünf zählen und langsaaaaam wieder ausatmen und bis zehn zählen.
Nach dem Frühstück schaue ich mir die bemalte Wand an. Die Zwillinge haben versucht, im Hobbyraum das Paragleiter-Poster an der gegenüberliegenden Wand nachzumalen. Mit Filzstiften. Meine Verzweiflung wächst, als ich erkennen muss, dass Connys Wischerei mit einem feuchten Tuch alles noch schlimmer macht. Die Farben der Stifte sind ineinander verlaufen, so dass sich nun ein riesiger bunter Schmierfleck gebildet hat.
»Mist«, sagt Conny. »Das wird erst wieder bei der nächsten Renovierung in Ordnung kommen. Ihr renoviert doch bald? Oder?«
Ich raste aus. »Leg deine Kinder jetzt bitte für eine Weile an die Leine, ja? Die sind ja total unerzogen!«
Die Zwillinge sitzen auf einem Sack, in dem ein Paragleiter steckt und kichern hinter vorgehaltener Hand. Jetzt popeln beide. Ich könnte vor Wut explodieren.
Conny wird ebenfalls wütend. »Ha, warte ab, bis ihr Kinder habt! Kinder machen halt Dummheiten!« Bockig wirft sie den schmutzigen Lappen auf den Boden.
»Wenn du zu Paul ebenfalls so garstig bist, musst du dich nicht wundern, dass du bald wieder Single sein wirst. So, ich gehe jetzt mit den Kindern schwimmen. Tschüss.«
Nach Luft schnappend stelle ich fest, dass ich nicht mehr Herrin der Lage bin. Unheil braut sich über meinem Haupt zusammen. Im Arbeitszimmer finde ich einen leeren kleinen Block. Ich nehme einen Stift und notiere als Erstes: Wand Hobbyraum säubern . Danach: Im Kamin Asche entfernen.
In der Küche liegt der Oberkörper meines Vaters im Küchenschrank unter der Spüle. ›Assistent‹ Opa Heini reicht ihm diverse Werkzeuge, die er vor jedem Anreichen fachmännisch begutachtet. »Tolles Werkzeug, beste Qualität! Hab ich in der Abstellkammer gefunden.«
Mein Vater flucht laut und schimpft auf seine kranken Nackenwirbel. Während er schraubt, knackt es gewaltig im Schrank.
Anton streckt seinen verschwitzten Kopf durch die Tür. »Opa, ich brauche deinen Rat. Es geht um die neue Pflanzstelle für die Stauden.«
Mich überfällt ein Schwindelanfall, ich lehne mich gegen den Türrahmen.
Opa lässt umgehend das Werkzeug fallen, um Anton mit Rat und Tat beiseite zu stehen.
Ich gehe ins Gäste-WC, ziehe den Block aus meiner Jeanstasche und notiere: Stauden zurück an ihren alten Platz pflanzen .
Durch die geschlossene Tür höre ich meine Mutter jammern.
»Herrmann, ich habe doch gesagt, du sollst aufpassen. Himmel, jetzt ist es abgebrochen.«
Was auch immer abgebrochen sein mag, ich notiere den nächsten Punkt: Klempner (Notdienst) bestellen.
Plötzlich höre ich Connys aufgeregte Stimme, die laut nach Pflastern schreit. Meine Mutter spitzt die Ohren.
Wenn eine Mutter einen Schrei nach Pflaster hört, fahren ihre Instinkte Karussell. Es ist nicht zu überhören, dass sie einen Verbandskasten sucht. Schranktüren werden geöffnet und laut wieder zugeknallt. Ich renne im Galopp in den Keller. Conny sitzt, leichenblass, auf einem Stuhl neben dem Handtuchschrank.
»Ich habe mich verletzt. Hier liegen ja Glasscherben. Boah, gut, dass die Kinder da nicht reingetreten sind.« Sie drückt eine Hand auf ihre rechte Fußsohle, Blut sickert durch ihre Finger.
»Ja«, stoße ich gereizt hervor. »Boah, die hätten ja verbluten können!«
Ich fluche. Bruni und ich hätten die Scherben beseitigen sollen, denn Conny drückt jetzt ein flauschiges weißes Badehandtuch auf die Wunde. Es ist unübersehbar versaut. In Gedanken notiere ich: Blutflecken aus Badelaken entfernen .
Kurz darauf ist meine Mutter mit dem Verbandskasten da. Sie verarztet den Fuß meiner
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