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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Marie Käfer
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denken kann, in meinem Elternhaus als Kotzeimer herhalten muss.
    Unter der Bettdecke telefoniere ich mit Bruni, die ebenfalls unter der Bettdecke telefoniert, obwohl sie alleine in Heiners Wohnung ist. Wir schwören, sobald es etwas Neues gibt, uns gegenseitig zu informieren.
    Richtig zur Ruhe komme ich nicht, denn jeden Augenblick besucht mich jemand. Mal mein Vater, mal Opa Heini … meine Mutter kommt sowieso andauernd herein. Entweder mit einer pfeffrigen Brühe, Haferschleim oder Tee. Sobald mich jemand auf Paul bzw. die schönen Stunden in seinem Haus anspricht, verziehe ich wehleidig das Gesicht. Morgen werde ich ihnen sagen, dass es aus sei, zwischen Paul und mir. Am späten Nachmittag höre ich Conny lachen. Sie steht wohl im Treppenhaus.
    »Gute Besserung, Karo!«, ruft sie laut. »Ich komme nicht nach oben, mit den Zwergen im Bauch kann ich mir keinen Virus leisten!«
    Jetzt vernehme ich die Stimmen meiner Nichten. »Karo ist ne Kodderliese«, singen sie im Takt.
    Der Singsang der Kinder heitert mich ein wenig auf. Als ich die Hausklingel höre, halte ich mir beide Ohren zu. Vor meinem geistigen Auge tauchen Günni und der Fettsackpolizist auf, die mich mit Handschellen abführen wollen. Dann ›sehe‹ ich, dass mein Vater sich vor die Treppe stellt, mit fester Stimme erklärt, dass seine Tochter nicht im Hause sei. Opa Heini droht bekräftigend mit seinem Wanderstock, meine Schwester Conny ruft, dass sie keine Aufregung vertragen könne, weil sie schwanger sei. Last but not least würden die Zwillinge den beiden Polizisten in die Waden beißen, so dass sie mit eingeschaltetem Martinshorn flüchten würden.
    Meine Finger stecken noch immer in den Ohren, als sich die Bettdecke langsam hebt. Die gütigen Augen meiner Mutter strahlen, sanft trennt sie die Finger von meinem Kopf. So freudig, als würde sie mir den Autoschlüssel für einen nagelneuen Mercedes SLK überreichen, überbringt sie die Botschaft.
    »Schau mal, Karo, wer dich besuchen kommt.« Sie tritt beiseite, so dass ich direkt in die grünen Augen vom Geigenpaul, der mit einem riesigen Strauß roter Rosen vor meinem Bett steht, schauen kann. Ich neige ja nicht zu Imitationen, ich bin die Letzte, die Ideen klaut. Aber in diesem Moment befördert mein Mageninhalt mit einem kräftigen »Aarrg« à la Hanni sämtliche Tees sowie Haferschleimsüppchen heraus, die ich im Laufe des Tages in mich hineingewürgt habe. Dabei verfehle ich den Eimer und kotze gnadenlos auf Geigers Hosenbeine samt Schuhen.
    Paul Geiger steht erst hilflos da, dann lacht er und küsst mich auf die Stirn.
    »Liebes, Schatz … mein Gott. Was hast du dir da bloß eingefangen?« Er legt mir den duftenden Blumenstrauß auf die Bettdecke, die ich wieder bis an die Nasenspitze hochgezogen habe.
    Meine Mutter sieht hilflos auf Geigers Hose und Schuhe. »Die gute Hose. Schnell, Paul, ziehen Sie sie aus. Ich werde sie flott in die Waschmaschine stopfen, das haben wir gleich.«
    Ich schließe vor Scham die Augen.
    Danach begutachtet sie mit fachmännischem Blick Geigers Schuhe. »Leinen …, die kann ich ebenfalls in die Waschmaschine stopfen.«
    Paul gehorcht widerstandslos und steht innerhalb von wenigen Sekunden barfuß, in schwarz-weiß karierten Boxershorts, vor meinem Bett. Mir streichelt Mama liebevoll über die verschwitzten Locken.
    »Ach Karo, du musst dich nicht schämen. Du kannst ja nichts dafür, du armes Kind.«
    Paul findet das wohl auch, denn er tätschelt ebenfalls das obere Drittel meines Kopfes, der unter dem Oberbett hervorlugt. Allerdings nicht so liebevoll wie meine Mutter.
    »Nein, sie kann nun wirklich nichts dafür.« Er lacht ein wenig zu laut, ich zucke zusammen.
    Meine Mutter wirft die Schmutzwäsche in einen mit Glanzbildern beklebten Mülleimer, den ich während meiner Grundschulzeit liebevoll gestaltet habe. Mit einem glücklichen Seufzer nimmt sie die Rosen an sich und zieht, voll bepackt, leise die Tür hinter sich zu.
    Paul rollt, ohne mich aus den Augen zu lassen, meinen alten Schreibtischstuhl neben mein Bett und beugt sich so tief zu mir herab, dass ich winzige schwarze Punkte in seinen grünen Augen erkennen kann.
    Er atmet sehr tief ein, dann lange und kräftig aus. Sein frischer Atem wirkt wie Zugluft in meinen Augen. Ich blinzele und starre die Zimmerdecke an. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, hier im Haus bin ich sicher. Ein Schrei … und alle würden angerannt kommen.
    Leise, aber scharf geschliffene Worte dringen in mein

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