Lügen haben rote Haare
schluckt als kaut, gibt sie mir Anweisungen, welche Lockenwickler ich in welche Haarsträhne wickeln soll. Ich stehe irgendwie vollkommen neben mir und führe ihre Anweisungen eher mechanisch aus.
»Weißt du, Karo, Anton ist ja so selten alleine unterwegs. Ich habe während der letzten Tage gemerkt, wie sehr er mir fehlt. Es ist fast so, als ob ich mich nur als halben Menschen wahrnehmen würde. Wirklich, ich schäme mich beinahe, dass ich ihm wegen jeder Kleinigkeit Bösartigkeiten an den Kopf geworfen habe.«
»Ja«, entgegne ich. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Aber du solltest dir deswegen keinen Kopf machen, Schwesterherz.«
Jetzt lacht Conny heiter auf. »Das wird dir eines Tages mit deinem Paul nicht anders ergehen. Ein Wort gibt das andere … und zack, der Streit ist vorprogrammiert. Da kannst du dich noch so sehr anstrengen.«
In meinem Darm grummelt es, ich beeile mich, die letzten Wickler in Connys feuchte Haare zu wickeln, dann verschwinde ich im Bad. Ich wünsche mir sehnlichst, gestern Abend nicht im Kakadi gewesen zu sein.
Nach 30-minütiger Föhn-Aktion sind die Haare meiner Schwester trocken. Sie sieht sehr hübsch aus. Alsbald macht sie sich auf den Heimweg. Sie möchte die Kinder zeitig zu Bett bringen und sich danach in ein duftendes Wannenbad legen, um Anton gebührend zu empfangen.
Wir verabschieden uns. Die Zwillinge sind bockig, sie wollen nicht nach Hause. Darum sehen sie auch nicht ein, sich von ihrer Tante Karo einen Kuss geben zu lassen. Die Folge: lautes Geschrei. Danach räume ich das Geschirr in die Spülmaschine und schreibe einen zweiten kleinen Zettel an meine Eltern und Opa, in dem ich erkläre, warum wir ihr Haus für kurze Zeit belagert haben.
Bereits um 21 Uhr lege ich mich vollkommen erschöpft und todmüde ins Bett. Ungefähr jetzt müsste Anton zu Hause aufkreuzen. Arme, arme Conny!
Ich beträufele Pauls Taschentuch mit einigen Tropfen seines Duftes, ziehe die Bettdecke bis zum Haaransatz über den Kopf und wünsche mir, schnell in einen tiefen Schlaf zu fallen.
25. Palimpalim
Die alte Weisheit stimmt. Wo ein Haufen Mist liegt, kommt immer mehr Mist dazu. In meinem Fall ein großes Foto im Sportteil der Hamburger Morgenpost , aufgenommen am Samstagabend in der Nobel-Disco Kakadi , auf dem ich neben Machungwa strahle wie der Inhalt eines gesamten Castortransports. Brunis strohdoofe Cousine Simone hat Antonio von dem prominenten Gast Machungwa berichtet, worauf der italienische Türsteher die Presse informierte. Das ist also Simones angekündigte Überraschung. Von wegen Hausfotograf, der Typ war von der Presse. Ich weigere mich förmlich, noch einmal auf das Foto zu schauen, das mir Bruni unter die Nase hält. Meine Beine schlängeln sich Hilfe suchend um das Gestänge meines Schreibtischstuhls, mit einer gespielten Lässigkeit fahre ich den PC hoch.
»Also, ich finde, du bist auf dem Foto nicht zu erkennen, Karo. Nein, mit der Perücke siehst du vollkommen fremd aus.«
Sie beißt herzhaft in einen geschälten Apfel, ohne die Zeitung aus den Augen zu lassen.
In diesem Fall glaube ich meiner Freundin kein Wort.
»Wäre ich nicht zu erkennen, Bruni, hätte Dröpjes mir den aufgeschlagenen Sportteil nicht, unverschämt grinsend, im Vorübergehen unter den Arm geklemmt!«
Bruni will den Tatsachen nicht ins Auge sehen, sie schüttelt beharrlich den Kopf. »Nö, stimmt nicht. Der war nur zu faul, zum Mülleimer zu laufen.«
Ich bin heilfroh, dass meine Eltern eine andere Tageszeitung abonniert haben, sonst hätte einer der sportbegeisterten Männer meiner Familie längst angerufen.
Die Schlagzeile » Hat Machungwa seine große Liebe in Hamburg gefunden? « ist für eine ›liierte‹ Frau wie mich tödlich.
Ich lasse Dröpjes Hamburger Morgenpost in meiner Handtasche verschwinden und entsorge auf gleiche Art und Weise das Exemplar aus Geigers Büro.
»Sollte Geigenpaul nach der Zeitung fragen, sagen wir einfach, sie wäre heute früh nicht zugestellt worden.«
Meine Stimme versagt, als sich hinter mir die Tür öffnet und Geiger an uns vorbeirauscht. Ich murmele ein knappes »Hallo«, Bruni beschränkt sich ebenfalls auf ein unverständliches Gemurmel, was alles hätte bedeuten können, nur nicht »Guten Morgen« oder »Hallo«. Ich unterdrücke ein Lachen, denn meine Freundin ist das schlechte Gewissen in Person. Als Geigenpaul nach wenigen Minuten nicht nach der Zeitung fragt, die üblicherweise auf seinem Schreibtisch liegt, fühle ich mich auf der
Weitere Kostenlose Bücher