Lügen haben rote Haare
müde an.«
Ich balle die freie Hand zur Faust. So ein Penner! So viel Phantasie hätte ich dem Oberdödel gar nicht zugetraut.
»Sicher. Kann ich verstehen«, murmele ich.
»Und wie geht es deiner Freundin? Konntest du sie ein wenig aufpäppeln?«
Mein Gewissen zwickt ganz arg. Ich kann jedoch nichts anderes mehr sagen als: »Ja, Bruni ist wieder fit.«
Ich erkundige mich noch zerstreut, wie es den Kindern geht; sie berichtet kurz, dann entschuldigt sich meine Schwester, sie müsse nach dem Braten in der Röhre schauen. Mein Gott, sie bringt das so unschuldig heraus. Opa Heini würde jetzt hinter vorgehaltener Hand lachen. Mir ist momentan wirklich nicht nach Lachen zumute.
Missmutig bereite ich einen Salat mit Krabben zu, vermag ihn jedoch nicht mit Appetit zu essen.
Da ich weder Bruni noch Simone erreichen kann, beschließe ich gegen 15 Uhr, zu meinen Eltern und Opa Heini zu fahren. Dieser Sonntag ist schlichtweg ungenießbar, ich brauche dringend Ablenkung. Ich kaufe unterwegs ein Tablett mit vielen verschiedenen Tortenstücken und Apfelkuchen mit Sahne, damit ich mich ein klein wenig revanchieren kann, denn meine Mutter ist für ihre Familie im Dauereinsatz.
Vor meinem Elternhaus stelle ich enttäuscht fest, dass die Gartentür verriegelt ist, also sind alle ausgeflogen. Ich beschließe, den Kuchen in den Kühlschrank zu stellen, und fingere nach meinem Schlüsselbund, an dem noch immer der Schlüssel für die Birkenstraße 18 hängt. Ich werde einige liebe Zeilen auf einen Zettel schreiben und ihn auf den Küchentisch legen; sie werden sich nach ihrer Heimkehr über die Leckereien freuen.
Ich kriege fast einen Herzschlag, als es heftig am Küchenfenster klopft und die sommersprossigen Gesichter meiner Nichten auf- und abtanzen, weil sie wohl hüpfend versuchen, einen Blick in die Küche zu werfen. Gleichzeitig schellt die Türklingel Sturm, und ich weiß nicht, wohin ich mich zuerst wenden soll. Ich entscheide mich fürs Türöffnen.
»Na«, sagt eine lachende Conny. »Wir könnten auch Zwillinge sein. Immer die gleichen Ideen.«
Verdutzt lasse ich sie eintreten. An meinem Gesicht bemerkt meine Schwester sofort, dass ich nichts kapiere.
»Anton wird erst gegen 21 Uhr zurück sein, Karo; die Besprechung zieht sich doch länger hin als gedacht. Er rief vor einer Stunde an. Und da dachten wir, um die Wartezeit etwas zu verkürzen, Oma, Opa und Opapa zu besuchen.« Sie blickt sich suchend um. »Schade, sie sind nicht da.« Sie wedelt mit einer Plastiktüte voller Lockenwickler: »Ich wollte Mama bitten, mir die Haare zu machen.«
Dann grinst sie vielsagend. »Aufhübschen, für den lang ersehnten Ehemann.«
Mein Lachen klingt künstlich; sofort biete ich mich jedoch an, ihr sehr gerne dabei behilflich zu sein. Wenn die wüsste!
Conny verschwindet ins Bad, um den Bratengeruch aus den Haaren zu waschen; die Kinder stelle ich mit Erdbeertorte im Wintergarten ruhig.
Ich koche, während ich im Obergeschoss die Dusche laufen höre, für mich einen starken Kaffee, für Conny und die Kinder Kakao. Ich fühle mich schuldig, ich bin Mitwisserin. Aber ich kann doch meiner Schwester unmöglich und brühwarm berichten, dass ihr Mann sie betrügt. Meine Wut auf Anton wächst ins Unermessliche. Wieder schrecke ich wie ein aufgescheuchtes Huhn zusammen, als Conny plötzlich, mit einem Handtuch um den Kopf geschlungen, hinter mir steht.
»Was ist denn los mit dir, Karo?« Verständnislos schaut sie mich an und schüttelt den Kopf.
»Nichts«, lüge ich. »Was soll denn mit mir los sein?«
Ich hole das Tablett mit dem Kuchen aus dem Kühlschrank. Connys Augen blitzen entzückt auf.
»Ich nehme das da.« Ihr Finger zeigt auf ein Käsesahneschnittchen mit Mandarinenfüllung. »Da ist Obst drin, das geht nicht so auf die Hüften.«
Zufrieden setzt sie sich zu den Zwillingen und lässt sich ungeniert von mir mit Kakao und Kuchen bedienen. In Sekundenschnelle löffelt sie das Schnittchen vom Teller, den sie sogleich beiseiteschiebt, woraufhin sie sich das Handtuch vom Kopf nimmt und ihre Haare mit einem breiten Kamm entwirrt.
Ich habe mich seit ewigen Zeiten nicht mehr so unwohl in meiner Haut gefühlt, wie in diesen Minuten. Hanni und Nanni beachten ihren halb aufgegessenen Erdbeerkuchen nicht mehr und stürmen mit Geschrei in den hinteren Teil des Gartens, in dem ein kleiner Bachlauf plätschert. Conny bittet mich, ihr die Teller der Zwillinge anzureichen, damit der gute Kuchen nicht verkommt. Während sie mehr
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