Lügen haben rote Haare
schaut mich so an, als würde ich in einem Kartoffelsack vor ihm stehen. Der schwarze Mercedes mit den grauen Ledersitzen beeindruckt mich schwer, ich verliere jedoch kein Wort über die edle Karosse. Der soll bloß nicht glauben, dass es das erste Mal ist, dass ich in so einem noblen Geschoss sitze.
Behutsam lenkt er den Wagen durch den Verkehr, dabei erklärt er mir seine Geschäftsbeziehung zu Oskar van Ankum. Oskar sitze im Vorstand der Hamburger Generalbank, für diverse Kreditgeschäfte sei eine gewisse Harmonie mit dem hochrangigen Ehepaar unumgänglich.
»In der wenigen Freizeit, die Oskar zu Verfügung steht, golft er wie besessen. Im Golf-Club habe ich übrigens, wie du ja bereits weißt, die Bekanntschaft mit Beatrice gemacht.«
Er blickt stur auf die Straße. Ich überspiele mein Schamgefühl, in seinen privaten Sachen geschnüffelt zu haben, indem ich in meiner Handtasche nach irgendetwas suche, das ich nicht finden kann.
»Frauen dieser Gesellschaftsschicht sind es gewohnt zu bekommen, was sie wollen. An dem Nachmittag, als wir uns auf dem Parkplatz am Spielplatz begegneten, gab ich ihr unmissverständlich zu verstehen, dass ich an einer Affäre mit ihr nicht interessiert sei. Vor wenigen Tagen habe ich ihr gesagt, dass ich mich mit dir in naher Zukunft verloben werde. Ich habe sie verletzt; sie wurde hysterisch und fühlte sich gedemütigt. Sie hat mir gedroht, ihren Mann negativ zu beeinflussen, was im Klartext heißt, in Zukunft keine günstigen Konditionen mehr zu bekommen.«
Nicht sehr damenhaft, aber vollkommen entrüstet, äußere ich meine Meinung. »Übel, übel, sprach der Dübel.«
Paul lacht. »Ja, und darum werden wir versuchen, heute Abend das Ruder herumzureißen. Bert wird sich um Beatrice bemühen, von meiner Spur ein wenig ablenken. Ich kümmere mich um Oskar, und du spielst die perfekte Gastgeberin. Wir starten also eine kleine Intrige.«
»Aber sie weiß doch mittlerweile, dass du fast verlobt bist, wie kann sie da …?«
Paul unterbricht mich. »Das ist ein Grund, Karo, aber kein Hindernis.« Sarkasmus trieft aus seiner Stimme.
»Und ich dachte immer, dass nur wir Frauen in der Lage sind, intrigant zu sein.«
Paul greift nach meiner Hand. »Ach, Karo, steckt nicht in jedem Mann auch ein Quäntchen Weiblichkeit?«
»Na ja … in manchen mehr, in manchen weniger …« Meine Hand kribbelt unter seiner Berührung. Als sein Daumen zärtlich meinen Handrücken streichelt, bekomme ich eine Gänsehaut.
Ich gestehe mir ein, dass ich es total blöd finde, dass in dem Mann neben mir wohl mehr Weiblichkeit steckt als mir lieb ist.
Bert öffnet bereits die Haustür, als wir aus dem Auto steigen. Er begrüßt mich so herzlich und vertraut, als würden wir uns schon seit Jahren kennen.
»Donnerwetter, du siehst hinreißend aus; das Kleid steht dir ausgezeichnet.«
»Danke. Wenn du magst, kann ich es dir mal leihen.« Mein Versuch, ihn verlegen zu machen, scheitert, denn die beiden Männer finden mein Angebot eher witzig. Als ich unsicheren Schrittes an ihm vorbei ›eiere‹, schlägt er belustigt vor, dass er mir dafür im Gegenzug gerne seine Schuhe überlassen würde. Ha, ha, ha. Ich setze mich auf die gemütliche Couch.
Kurz darauf liefert ein Catering-Service silberne Platten mit herrlichen Köstlichkeiten, die auf einem Beistelltisch auf der Terrasse kunstvoll drapiert werden. Wow! Mein Stimmungsbarometer steigt.
Als hätten die van Ankums den Braten gerochen, klingeln sie kurz vor der Tagesschau Sturm. Glatzen-Oskar und Tusnelda schleifen ein dickes Kind hinter sich her, welches uns als Bernd-Gerhard , Tusneldas 11-jähriger Neffe, vorgestellt wird. Bernd-Gerhards Eltern hätten heute Abend geschäftliche Verpflichtungen, und weil Bernd-Gerhards Babysitterin heute unpässlich sei, müsse Tante Beatrice als solche einspringen. Der kleine Klops weigert sich, uns zur Begrüßung die Hand zu reichen; besonders mir sieht er feindselig in die Augen. Frau van Ankum umarmt Paul sehr distanziert, mir reicht sie mit einem eiskalten Blick eine ebenso kalte Hand. Als Bert die Andeutung eines Handkusses macht, strahlt sie wie die aufgehende Sonne. Oskar van Ankum zeigt sich leger; lachend klopft er den Männern auf die Schulter, mir nickt er anerkennend zu. Gleichzeitig bittet er mich, ihn beim Vornamen zu nennen und zu duzen. Tusnelda kommt nicht umhin, mir ebenfalls das Du anzubieten. Nach einem Aperitif, respektive Apfelsaft für Bernd-Gerhard, begeben wir uns auf die
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