Lügen haben rote Haare
sicheren Seite. Puh! Das ist ja noch mal gut gegangen! Mit meinem DIN-A4-Blatt-Trick beobachte ich ihn, während Bruni mal am Kopierer, mal in Piefkes Glaskasten arbeitet. Unruhige Beine scheint er heute zu haben, der Paule. Statt zu arbeiten, rennt er wie ein Tiger im Käfig um seinen Schreibtisch herum. Das sollten wir uns mal erlauben! Vielleicht war die halbe Woche mit Bert doch nicht so entspannend? Sein Verhalten lässt eventuell auf einen handfesten Beziehungsstreit schließen. Ich weiß zwar nicht warum, aber diese Vorstellung bereitet mir eine tiefe, innere Freude. Lustlos mache ich mich an die Arbeit.
Kurz vor der Mittagspause ruft Geiger mich in sein Büro. Aus der Nähe betrachtet, sieht er ein wenig abgespannt und blass aus. Ein wahrhaftiger Mann der Tat, denn ohne Umschweife kommt er auf den Punkt.
»Ich brauche dich heute Abend. Du kannst um 15 Uhr Feierabend machen, dann hast du genügend Zeit, um dich vorzubereiten. Wir bekommen Gäste, Beatrice und Oskar van Ankum. Beatrice ist noch immer nicht im Bilde, dass du diejenige vom Spielplatz bist, du kannst dich also ganz ungezwungen benehmen …«
Von dem Moment an höre ich nicht mehr, womit er mich volltextet, denn unter einigen Papieren lugt ein Stück der Tageszeitung hervor. Ich kann das Datum erkennen. Mein Herz setzt einen Schlag aus, es handelt sich um die heutige Ausgabe. Ich spüre förmlich, wie sich mein gesamter Blutkreislauf Richtung Kopf bewegt. Auch ohne Spiegelbild weiß ich, dass mein Gesicht so rot wie ein Pavianhintern ist.
Wenn er mich jetzt ansieht, wird er sich fragen, warum mir die Schamesröte zu Kopf gestiegen ist und mich argwöhnisch ausfragen. Darum täusche ich einen kräftigen Hustenanfall vor, springe auf und beuge mich dabei so weit nach vorne, dass jeder Yoga-Lehrer vor Neid erblassen würde. Meine Nasenspitze berührt meine Knie, das gesamte Blut aus meinem Oberkörper schießt mir in den Kopf. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Paul sich zu mir runterbeugt.
»Lass den Blödsinn! Komm wieder hoch. Du bist ja schon knallrot im Gesicht.«
Ich hechele nach Luft und richte mich wieder auf. »Diese Übung ist die einzige, die hilft, wenn ich diese komischen Hustenanfälle bekomme.« Ich klopfe mir leicht auf die Brust, mein Gesicht glüht noch immer.
»Also, wie gesagt, ich hole dich heute Abend um 19 Uhr ab; für den Heimweg bestelle ich dir ein Taxi. Zieh dir was Nettes an …«
Damit bin ich wohl entlassen, denn er öffnet eine Akte, in die er sich vertieft.
Verlegen trete ich von einem auf das andere Bein. »Ähm … könnte ich wohl die Morgenpost haben? Unsere wurde heute früh nicht geliefert.«
Er blickt kurz zu mir auf. »Gerne … bitteschön.«
Ich setze mein Pokerface auf und lächele ihn charmant an. Hastig greife ich nach der Zeitung und frohlocke innerlich, dass ich Geiger ausgetrickst habe.
»Allerdings, den Sportteil habe ich herausgenommen. Du interessierst dich doch nicht für Sport … oder?«
Erneut färbt sich mein Gesicht rosig. Bevor dieser Unmensch das registriert, verlasse ich, ohne zu antworten, den viel zu heiß gewordenen Raum.
Bruni ist mal Fluch, mal Segen. Gerade in diesem Moment Fluch. Sie knabbert an einer Möhre; die Geräusche, die sie beim Kauen macht, kratzen immens an meinen Nerven.
»Kannst du bitte bis 15 Uhr aufhören, dich wie ein Pferd zu ernähren?«
Bruni zuckt beleidigt zusammen. Ich erkläre die Situation, dass ich heute Abend Gewehr bei Fuß stehen muss. Dabei pfeffere ich die Zeitung auf den Schreibtisch. »Den Sportteil hat er herausgerissen, dieser … dieser … und einen versauten Abend habe ich auch noch vor mir. Ich darf gar nicht daran denken!«
Bruni lutscht jetzt an der Möhre, wie an einem Dauerlutscher – nach dem Fluch kommt der Segen.
»Mach einfach das Beste daraus, Karo. Amüsiere dich, genieße den Abend. Mensch, der will dich doch nur ärgern. Durchkreuze seinen Plan. Mach auf lustig; du wirst sehen, er verliert die Lust, dich überall hin mitzuschleppen.«
Stimmt. Genauso werde ich mich verhalten; mal sehen, wer den längeren Atem hat! Im Anschluss überzeugt sie mich davon, dass Geigenpaul mich nicht erkannt hat, denn sonst hätte er längst Anspielungen gemacht.
Ich krieche nicht gerne zu Kreuze, aber heute überwinde ich mich und werde Conny fragen, ob sie mir etwas zum Anziehen leiht. Das Schwarze von Madame Gigi kennt die van Ankum von der Beerdigung, das kann ich auf keinen Fall tragen. Das von Conny geschenkte Kleid
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