Lügen haben rote Haare
zurück, dass heute genug Frauen im Haus seien. Er ließe sich nicht ausbeuten.
Ich greife nach einem Stapel Teller, Servietten und Besteck. Meine Mutter stellt gefüllte Auflaufformen in den Backofen, um die Speisen warm zu halten.
Mein Vater trudelt zuerst ein. Er hat rote Flecken auf der Stirn, die ein altbekanntes Zeichen dafür sind, dass er sich geärgert hat. Wir hängen gebannt an seinen Lippen, Conny kaut nervös an ihrem Daumennagel.
»Also, zuerst die Gesundheit. Antons Hörinnenzellen sind verletzt. Er ist auf dem rechten Ohr fast taub, und wie er sagt, pfeift es in seinem Kopf. Er bekommt gleich noch eine Infusion zur Erweiterung der Gefäße, heute Nachmittag wird er entlassen.«
Conny schlägt eine Hand vor den Mund. »Mein Gott, wie schrecklich!«
Mein Vater fährt fort.
»Anton behauptet noch immer, dass du, Karo, irgendein lautes Geräusch durch den Hörer gejagt hättest, um ihn zu ärgern.«
Dieses Weichei! Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich habe ihm doch nicht direkt ins Ohr getrötet. Zwischen Antons Innenohrzellen und der Vuvuzela lagen schließlich Kilometer.
Ich bleibe bei meiner Aussage. »So ein Schwachsinn! Dann kann das nur an meinem Telefon liegen. Jeder hier weiß, dass mein Festnetzapparat nicht richtig funktioniert. Der soll sich bei der Telefongesellschaft beschweren! Ich jedenfalls habe kein Knacken wahrgenommen.«
»Nun, die andere unleidige Geschichte tut ihm wahnsinnig leid. Dir soll ich sagen, Conny, dass er dich liebt. Er will sich heute Abend mit dir aussprechen. Ach ja … du sollst eine Annonce in der Zeitung aufgeben. Wegen der Putzfrau, die du dir schon seit Jahren wünschst.«
Connys Augen werden so groß wie die der Zwillinge, die am Heiligen Abend vor einem prächtig geschmückten Weihnachtsbaum stehen, unter dem viele Geschenke liegen.
»Können die Kinder heute bei euch übernachten, Mama?«
Mama nickt verständnisvoll und jeder am Tisch weiß, dass Conny Anton auch ohne Aussprache verziehen hat.
Paul und die Zwillinge kommen gleichzeitig durch das Gartentor. Er hält einen bunten Blumenstrauß in den Händen, den er meiner Mutter überreicht. Offen zeigt sie ihre Freude. »So schöne Blumen. Danke, Paul.«
Die Zwillinge werfen die Tornister achtlos auf die Wiese, dann trotten sie ins Bad; bei Oma und Opa müssen vor dem Essen die Hände gewaschen werden. Paul küsst mich flüchtig auf den Mund.
»Alles wieder in Ordnung bei den van Gochs …«, sage ich schnell. Er stellt keinerlei Fragen; er versteht die Botschaft, dass die Familienangelegenheit bereinigt ist.
In ausgelassener Stimmung machen wir uns über das Essen her; die Kinder berichten, was sie heute während des Unterrichts gelernt haben. Sie ärgern sich über die doofe Frau van der Meer, die immer schimpft, wenn während des Unterrichts geschwätzt wird. Paul langt mit hochgeschlagenen Hemdsärmeln kräftig zu, spart nicht mit Komplimenten, was meine Mutter freut.
Opa Heini politisiert, er bedauere sehr, dass in der Regierung keine Politiker säßen, die das Format ›seines‹ Altkanzlers Helmut Schmidt hätten. Meine Eltern und Opa Heini bieten Paul das Du an; sie finden es albern, sich weiter zu siezen, denn Paul gehöre ja mit zur Familie. Conny schweigt. Ich sehe, dass ihr Gehirn kräftig arbeitet. Bestimmt erstellt sie in Gedanken schon eine Aufgabenliste für die Reinemachefrau.
Bald nach Mittagstisch verabschiedet sich Paul, er müsse zurück in die Firma. Aus seinen Hosentaschen zaubert er jede Menge Kaugummis mit Abziehbildern hervor, Hanni und Nanni fangen sofort an zu teilen. Als ich Anstalten mache aufzustehen, um ihm zu folgen, drückt er mich zurück in das weiche Polster.
» Du bleibst schön sitzen. Gestern hast du genug Überstunden gemacht. Genieße den Nachmittag.«
Ich schenke ihm einen schmachtenden Blick. »Danke, Liebling ! Ich wollte dich eigentlich nur zum Auto begleiten!«
Er nickt leicht und reicht mir seinen Arm, den ich widerwillig nehme. Außer Sichtweite entziehe ich mich ihm. Als er vom Beifahrersitz einen kleinen Karton nimmt, den er mir überreicht, bin ich ein wenig gerührt.
»Aber … das wäre doch nicht nötig gewesen.« Meine Kinnlade rutscht nach unten, als ich in dem Karton den verlorenen Schuh finde. Conny, die uns unauffällig gefolgt ist, reißt mir den Karton frech aus der Hand, nachdem sie den Inhalt erfasst hat.
»Den kann ich gleich an mich nehmen, der gehört nämlich mir ! Wo ist der andere Schuh? Und das Kleid?« Arrogant
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