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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ponsonby
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nicht zufrieden, wandte sich der deutsche General an den Exkaiser in Doorn selbst. In einer Randbemerkung erklärte der Exkaiser, daß er nie einen solchen Ausdruck gebraucht habe, und er fügte hinzu: „Ich habe im Gegenteil immer den hohen Wert des britischen Heeres betont und in Friedenszeit in der Tat oft vor Unterschätzung desselben gewarnt.“
    General Sir F. Maurice ließ die Verzeichnisse der deutschen Zeitungen nach der angeblichen Rede oder dem Befehl des Kaisers durchsuchen, aber ohne Erfolg. In einem Artikel ( Daily News , 6. November 1925), in dem er die Erdichtung aufdeckt, erwähnt er, daß das britische Hauptquartier auf die Idee verfiel, Tagesbefehle zur Ausgabe von Erklärungen zu benützen, von denen man glaubte, daß sie unsere Soldaten ermutigen und anfeuern würden. „Die meisten von diesen waren derart verfaßt, daß sie die deutsche Armee ins Lächerliche zogen … Diese Anstrengungen wurden von den Männern in den Schützengräben als albern angesehen, und man gab sie bald wieder auf.“
    Wir mögen jetzt über diese Lüge lachen, und manche mögen geneigt sein, dem Offizier, der sie ausgesonnen hat, Anerkennung zu zollen, obgleich er hinsichtlich des Standortes des deutschen Hauptquartiers einen nachlässigen Fehler begangen hat. Über den ungeheuren Erfolg der Lüge kann kein Zweifel bestehen, trotzdem werden viele die Auffassung jenes Mannes teilen, der, nachdem er gehört hatte, daß die Echtheit des wohlbekannten, ja beinahe abgedroschenen Ausdruckes in Zweifel gezogen wurde, an die Presse schrieb ( Nation and Athenaeum , 8. August 1925) und bemerkte, „wie außerordentlich bedenklich es für die nationale Ehre oder für die jenes britischen Offizieres, der ursprünglich für die Worte verantwortlich ist, sein würde“, wenn dieselben sich als eine Erfindung erweisen sollten.

 
    11
    Deutschland, Deutschland über alles
     
    Während des ganzen Krieges wurde mit den ersten Zeilen eines deutschen vaterländischen Liedes viel Unfug getrieben.
     
    „Deutschland, Deutschland über alles,
    über alles auf der Welt.“
     
    Es muß in England doch viele Leute gegeben haben, die genug deutsche Kenntnisse besaßen, um die Bedeutung dieser Worte zu verstehen, aber niemand erhob Einspruch gegen die falsche Übersetzung, deren man sich gewöhnlich bediente, um die angreiferischen, imperialistischen Bestrebungen Deutschlands zu kennzeichnen. Es wurde ihnen allgemein folgende Deutung gegeben: „Deutschland (soll) über alles auf der Welt (herrschen). “
    Mr. Lloyd George zitierte das Lied am 20. September 1914 in der Queen’s Hall:
     
    Verträge sind dahin, die Ehre der Völker ist dahin, die Freiheit ist dahin. Was ist noch übrig? Deutschland, Deutschland ist noch übrig.
    Deutschland, Deutschland über alles.
     
    Punch brachte verschiedene diesbezügliche Zeichnungen.
     
    Den Kaiser auf einer Flöte spielend, nachdem er eine zerbrochene, große Trommel mit der Aufschrift „Deutschland über alles“ zur Seite gestellt hat.
    Den Kaiser, wie er versucht, einen durchlöcherten Ballon, auf dem „Deutschland über alles“ geschrieben steht, wieder aufzublasen.
    Den Kaiser als Hohenpriester des Moloch. Der Moloch mit „Deutschland über alles“ gestempelt.
     
    In unzähligen Zeitungsartikeln wurden die Worte beständig angeführt. Als ein hervorragendes Parlamentsmitglied sie in einem Briefe an die Times anwandte, wurde er auf die falsche Deutung, die er ihnen beimaß, aufmerksam gemacht. Er gab den Fehler zu, schien aber der Ansicht zu sein, daß die allgemein angenommene Auslegung der Worte ihn berechtige, sie auch in diesem Sinne zu gebrauchen.
    Der falsche Sinn verbreitete sich durch ganz England und durch das ganze britische Reich, und das Unterrichtsministerium in Ontario ging sogar so weit und ordnete an, daß in der ganzen Provinz aus allen deutschen Schulbüchern das Deutschlandlied ausgemerzt werden solle ( Times, 19. März 1915 ).
    Sogar noch nach dem Kriege, im November 1921, erklärte der Leitartikelschreiber einer angesehenen Zeitung, daß es in Europa keinen Frieden geben werde, solange die Deutschen an ihrem Nationallied, „Deutschland, Deutschland über alles, über alles auf der Welt“, festhalten.

 
    12
    Das Baby von Courbeck Loo
     
    Es kommt nicht oft vor, daß wir ein Geständnis einer Lüge haben, aber die Geschichte vom Baby von Courbeck Loo ist ein erleuchtendes Beispiel von einer vom Erdichter selbst erzählten Erdichtung.
    Hauptmann F. W. Wilson,

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