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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ponsonby
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wurde folgendes ausgegeben:
     
    Nachstehendes ist eine Abschrift von Befehlen, die am 19. August vom deutschen Kaiser erlassen wurden.
    „Es ist mein Königlicher und Kaiserlicher Befehl, daß Ihr im gegenwärtigen Augenblicke alle Eure Kräfte auf ein einziges Ziel konzentriert, nämlich, daß Ihr Eure ganze Geschicklichkeit und die ganze Tapferkeit meiner Soldaten vor allen Dingen auf die Vernichtung der verräterischen Engländer verwendet, über die verächtliche kleine Armee des Generals French hinwegschreitet …
    Hauptquartier, Aachen, 19. August.“
     
    Die Resultate dieses Befehls waren die Operationen, die mit Mons ihren Anfang nahmen, und der Vormarsch der scheinbar überwältigenden Massen gegen uns. Die britische Armee hat, was die Vernichtung anbelangt, ihre Antwort bereits gegeben.
    Felddruckerei Ko., R. E. 69.
     
    Die Echtheit dieses amtlichen militärischen Erlasses wurde natürlich nie in Frage gestellt, obwohl ein Versuch gemacht wurde, ihn als eine unrichtige Übersetzung hinzustellen. Die im ganzen Lande darüber entstandene Entrüstung war tiefempfunden und weitverbreitet.
    Der militärische Berichterstatter der Times schrieb vom Kaiser, daß er sich in einem „sehr erregten und reizbaren Zustand“ befinde, und der Leitartikelschreiber der Times sagte in dieser Zeitung am 1. Oktober 1914, auf den Erlaß anspielend:
     
    Trotz des grimmigen Befehls des Kaisers … ist „Frenchs verächtliche, kleine Armee“ noch immer nicht vernichtet.
     
    Am gleichen Tage erschien in den Times ein Gedicht, betitelt „Frenchs verächtliche kleine Armee“.
     
    Der Kaiser höhnte über die britische Armee und nannte sie „verächtlich“, weil sie klein war. Er fühlte sich schwer beleidigt, daß irgendein Heer, das nicht nach Millionen zählte, es wagte, die Macht der Hohenzollern anzugreifen, und in einem Erlaß, der sicherlich historisch werden wird, befahl er seinen Goliathlegionen, alle ihre Kräfte gegen diesen kleinen britischen David zu konzentrieren.
    „Daily Expreß”, 2. Oktober 1914.
     
    In einer Werberede im Opernhause in London am 11. September 1914 führte Mr. Churchill die Worte immer wieder und wieder an.
    Im März 1915 brachte Punch eine Zeichnung des deutschen Adlers im Gespräch mit dem Kaiser: „So steht es also; du hast mir gesagt, der britische Löwe wäre verächtlich – nun – er war es doch nicht.“
    Und im Jahre 1917 (nach Amerikas Eintritt in den Kriege schilderte eine Zeichnung den Kronprinzen, wie er zu seinem Vater, der soeben seine nächste Rede aufsetzt, sagt: „Um Himmels willen, Vater, sei vorsichtig und nenne das amerikanische Heer nicht „verächtlich“!
    Es gab im ganzen Lande kein Dorf, in dem der Ausdruck nicht bekannt war, kein Kreisblatt, das ihn nicht angeführt hatte, und schließlich diente er sogar zur Bezeichnung der Offiziere und der Mannschaft, die im ursprünglichen Expeditionsheere waren. Sie wurden die „alten Verächtlichen“ genannt.
    Im Jahre 1925 wurden bezüglich der Echtheit des „vom Kaiser erlassenen“ Befehles gründliche Nachforschungen unternommen, und zwar von einem deutschen General, der die Archive in Berlin sorgfältig untersuchen ließ, und von dem britischen General Sir F. Maurice, der über die Sache manche Aufklärungen zu geben vermochte.
    Wenn man auch von der sprichwörtlich gewordenen Indiskretion des Kaisers irgendwelche alberne Äußerung erwarten konnte, so war doch bekannt, daß er nicht eigenmächtig Befehle erließ, sondern daß solche von seinem Stab für ihn abgefaßt wurden, der gewiß kein solcher Stümper war und den deutschen Generalen befahl, alle ihre Kräfte auf die Vernichtung einer Armee zu konzentrieren, wenn er ihnen nicht sagen konnte, wo die Armee sich befand. Seine Unwissenheit über den Standort der britischen Armee erhellt aus einem Telegramm, das der deutsche Generalstabschef am 20. August (am Tage nach der Ausgabe des angeblichen Befehles) an von Kluck sandte: „Mit Landung von Engländern in Boulogne muß gerechnet werden. Es herrscht hier jedoch die Ansicht, daß große Landungen noch nicht stattgefunden haben. “
    Außerdem wurde entdeckt, daß das deutsche Hauptquartier nie in Aachen gewesen war. Es wurde ungefähr am 15. August von Berlin nach Koblenz verlegt, später von dort nach Luxemburg und am 27. September nach Charleville.
    Eine sorgfältige Durchsuchung der Archive erwies sich als fruchtlos. Kein solcher Befehl und auch nichts Ähnliches konnte entdeckt werden. Damit jedoch

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