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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ponsonby
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bekanntgibt, daß es dieselbe nicht mehr glaubt?
    Sir L. Worthington-Evans: Ich kann mir nicht denken, daß dem öffentlichen Interesse mit weiteren Fragen über diese Geschichte gedient ist. Ich habe dem Hause die ausführlichste, mir zu Gebote stehende Auskunft gegeben, in der Hoffnung, daß die ehrenwerten Mitglieder hiermit zufriedengestellt sein werden. (Ehrenwerte Mitglieder: Hört, Hört.)
    Oberstleutnant Kenworthy: Hält der sehr ehrenwerte Herr es nicht sogar jetzt noch für wünschenswert, daß, in Anbetracht von Locarno und anderen Dingen, die Unrichtigkeit der ursprünglichen Geschichte endgültig zugegeben wird?
    Sir L. Worthington-Evans: Es handelt sich nicht darum, ob sie richtig oder nicht richtig war. Womit ich mich befaßte, das war die Meldung, auf Grund derer das Kriegsministerium seinerzeit handelte. Selbstverständlich gibt der Umstand, daß die Geschichte seitdem keine Bestätigung gefunden hat, der Sache ein anderes Gesicht, aber ich befaßte mich mit der Mitteilung, die die Obrigkeiten damals besaßen.
    Unterhaus, 24. November 1925.
     
    Dies war ein beständiger Versuch, einen vollständigen Widerruf zu vermeiden, und es fiel Sir Austen Chamberlain anheim, mit der Lüge endgültig aufzuräumen. In Beantwortung der von Mr. Arthur Henderson am 2. Dezember 1925 gestellten Frage, ob er bezüglich der Kadaver geschichte irgendeine Erklärung abzugeben habe, sagte er:
     
    Ja, mein Herr, mein sehr ehrenwerter Freund, der Kriegsminister sagte dem Hause vorige Woche, wie die Geschichte im Jahre 1917 zur Kenntnis der Regierung Seiner Majestät gelangte. Der deutsche Reichskanzler hat mich im Auftrage der deutschen Regierung ermächtigt, zu sagen, daß die Geschichte jeder Grundlage entbehrt. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß ich im Namen der Regierung Seiner Majestät dieser Versicherung Glauben schenkte, und ich hoffe, daß dieses falsche Gerücht nicht wieder aufgefrischt werden wird.
     
    Der peinliche Eindruck, den diese Episode und ähnliche Anstrengungen der Propaganda in Amerika hervorriefen, wird durch einen Leitartikel in der Times Dispatch von Richmond in den Vereinigten Staaten vom 6. Dezember 1925 gut illustriert.
     
    Nicht der geringste der Schrecken der modernen Kriegführung ist das Propagandabüro, das ein wichtiger Bestandteil der militärischen Einrichtungen jeder Nation ist. Es ist auch nicht das Geringste der vielen ermutigenden Zeichen, welche jedes Jahr die Wahrscheinlichkeit für einen schließlichen Frieden auf Erden größer erscheinen lassen. Die berühmte Kadaver geschichte, die während des Krieges bei diesem und anderen alliierten Völkern den Haß gegen die Deutschen bis zum Siedepunkt gesteigert hat, ist nun im britischen Unterhause als eine Lüge erklärt worden. Vor einigen Monaten erfuhr die Welt, wie diese Lüge von einem tüchtigen Offizier im britischen Nachrichtendienst geplant und verbreitet wurde. Jetzt hören wir, daß Sir Austen Chamberlain, durchdrungen vom Geiste von Locarno, sich im Hause erhob und verkündete, daß der deutsche Kanzler die Wahrheit dieser Geschichte in Abrede gestellt hat, und daß die britische Regierung dieser Versicherung Glauben schenkt.
    Vor einigen Jahren hat die Schilderung, wie der deutsche Kaiser aus den menschlichen Leichnamen Fett gewinnt, die Bürger dieses Landes und anderer aufgeklärter Länder zu wütendem Haß entflammt. Geistig normale Männer ballten die Faust und stürzten zu dem nächsten Werbebüro. Jetzt sagt man ihnen tatsächlich, daß sie betrogen und genarrt wurden; daß ihre eigenen Offiziere sie absichtlich auf den gewünschten Siedepunkt brachten, indem sie sich einer schändlichen Lüge bedienten, um ihre Leidenschaften aufzupeitschen, gerade wie ein erwachsener Raufbold, der einem kleinen Knaben zuflüstert, daß ein anderer kleiner Knabe gesagt habe, er könne ihn prügeln.
    Das ermutigende Zeichen, das wir bei diesem empörenden Geständnis über die Art der modernen Kriegführung finden, ist die natürliche Schlußfolgerung, daß der moderne Mensch nicht allzu sehr darauf erpicht ist, auf ein bloßes Kommandowort seinem Mitmenschen an die Gurgel zu springen. Seine Leidenschaften müssen zuerst aufgestachelt werden, und deshalb ist das Propagandabüro als eines der Hauptkampfmittel eingeführt worden.
    Im nächsten Kriege muß die Propaganda noch schlauer und geschickter werden als die beste, die dieser Krieg erzeugt hat. Diese offenen Eingeständnisse vom Lügen im großen seitens der Regierungen, in

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