Lügen in Kriegszeiten
dieses Landes garantiert werden könnte, obgleich der Botschafter ihn darum bat. Aber die bei weitem gewichtigste Auslassung war sein Versäumnis, dem Hause den letzten Satz in seinem Briefe an M. Cambon, einen Satz von lebenswichtiger Bedeutung, vorzulesen. Dieser lautete:
Wenn diese Maßnahmen zu einer Aktion führen sollten, so würden die Pläne des Generalstabes sofort in Betracht gezogen werden, und die Regierung wird über die Folgen entscheiden, die diesen Plänen zu geben wären.
Diese Weglassung findet in der gelegentlichen Bemerkung in Twenty-Five Years , „vielleicht hielt ich diesen letzten Satz für unwichtig“, bei weitem keine befriedigende Erklärung.
Die Reden von Ministern bei den anderen damals in Betracht kommenden europäischen Regierungen wurden selbstverständlich alle im patriotischen Sinne umgestellt, und jede Mitteilung über Tatsachen, die die Schlechtigkeit der gegnerischen Partei hätten mildern oder vermindern können, wurde sorgfältig unterdrückt.
Die Unterschlagungen von Schriftstücken oder die Weglassungen von Stellen in den amtlichen Büchern aller Regierungen sind viel zu zahlreich, als daß man auch nur eine Liste davon geben könnte.
Seit der Herausgabe weiterer diplomatischer Akten durch das Auswärtige Amt sind einige der britischen Unterschlagungen offenkundig. Es genügt, hier nur einige Beispiele anzuführen.
In einem Telegramm unseres Botschafters in St. Petersburg vom 24. Juli 1914 war eine Stelle, in der er die während des Besuches des Präsidenten zwischen Frankreich und Rußland getroffene Vereinbarung, keine Einmischung Österreichs in die inneren Angelegenheiten Serbiens zu dulden, vollständig unterdrückt. In Anbetracht dessen, was in Serbien vorging, war dies höchst bedeutsam.
Im Weißbuch von 1914 erschien ein Telegramm von der französischen Regierung, datiert vom 20. Juli, des Inhaltes, daß „Reservisten in Deutschland zu Zehntausenden einberufen worden sind“. Aber ein Telegramm des britischen Botschafters in Berlin vom 1. August mit der Meldung, daß noch keine Einberufung von Reservisten stattgefunden hat (404), wurde unterdrückt.
Besondere amtliche Berichte mußten der Kriegsstimmung entsprechend verfaßt werden. Hier folgt ein Beispiel eines solchen aus einer der Dominions:
Am 29. Juni 1926 wurde vom südwestafrikanischen Rat ein einmütiger Beschluß gefaßt. Diese Körperschaft erachtet das Blaubuch der südafrikanischen Union, das gegen die Verwaltung von Deutsch-Südwestafrika gerichtet ist, lediglich als ein Kriegswerkzeug und bat die Regierung, Exemplare des Buches, die noch unter amtlichen Dokumenten oder in Buchhandlungen vorhanden sind, zu zerstören. In seiner Antwort erklärte der Premierminister von Südafrika, General Herzog, daß er und seine Kollegen in der Regierung die Gründe für den Beschluß des Rates würdigen könnten, und daß er bereit sei, ihren Wünschen soweit als möglich zu entsprechen. Seiner Ansicht nach verurteile der unzuverlässige und unwürdige Charakter dieses Dokumentes dasselbe, im Verein mit ähnlichen Veröffentlichungen aus der Kriegszeit, zu einem ehrenlosen Begräbnis.
Dr. Schnees Beschwerde
betreffs afrikanischer Mandatsgebiete.
„Times“, 16. Mai 1917.
Das französische Gelbbuch war eine Masse von Unterschlagungen, Verstümmelungen und sogar Fälschungen. Ein französischer Schriftsteller, der diese ganze Frage sorgfältig geprüft hat, schreibt darüber 10 :
„Die Regierung schnitt aus dem Gelbbuch alles heraus, was sich auf die russische Mobilmachung bezog, gerade wie ein Verbrecher alle Spuren seines Verbrechens verwischt.“ M. Demartial widmet den verschiedenen Methoden, nach welchen mit diesem amtlichen Berichte manipuliert wurde, um das französische Volk zu täuschen, einen ganzen Band, und er fragt: „Wenn die französische Regierung hinsichtlich des Krieges unschuldig ist, warum hat sie dann die Sammlung voll amtlichen Dokumenten, die die Entstehung desselben darlegen, gefälscht?“
Auch im deutschen amtlichen Weißbuche wurde verschiedenes ausgelassen, wie z. B. ein Telegramm vom Zaren, in welchem er vorschlug, die österreichisch-serbische Streitfrage einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
Ein berühmter Fälschungsfall war der von Kurt Eisner, dem Präsidenten der revolutionären Regierung in München, veröffentlichte Bericht, der angeblich den Wortlaut eines Schreibens des bayerischen Gesandten in Berlin enthielt. So wie der Bericht herausgegeben
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