Lügen & Liebhaber
anrufen? Toni? Meine Mutter?
Während ich so vor mich hin überlegte und nach einer Telefonzelle Ausschau hielt, ging mir auf einmal durch den Kopf: Was, wenn Karl mit von der Partie wäre? Wunderbusen vom Montmartremartre – ich konnte mich nicht erinnern, daß Karl von einem Film mit diesem Titel gesprochen hatte. Sei’s drum. Das Geld würde einiges wettmachen.
Auf einmal verspürte ich Heißhunger Beim nächsten Libanesen-Imbiß holte ich mir ein Fladenbrot mit Falafel und kramte im Gehen nach meinem Adreßbuch. Es würde keine große Gefahr bedeuten, Skip jetzt anzurufen. Mit Sicherheit war er eh nicht zu Hause, und wenn ich ihm aufs Band sprach, konnte er sich hinterher auch nicht beklagen, ich hätte mich nicht bei ihm gemeldet. Die nächste Telefonzelle war belegt, also nahm ich die übernächste, griff mit fettigen Fingern nach dem Hörer und hatte kurz darauf Skip an der Strippe.
»Hey, klasse, daß du so schnell anrufst!« begeisterte er sich.
»Hast du Zeit? Magst vorbeikommen?«
Eigentlich brauchte ich nur jemanden, dem ich von meinem Job erzählen konnte, und obwohl ich in dieser Hinsicht bei Skip eindeutig an der falschen Adresse war, sagte ich: »Gut. In Ordnung.«
Skip nannte mir Straße und nächstgelegene U-Bahn, dann machte ich mich auf den Weg. Was sollte das? Skip war kein Mann, der mich nur so treffen wollte. Skip wollte mehr, und das war reichlich unangebracht, da ich in Oskar verschossen und bei Karl zu Besuch war.
Skip wohnte in einem unrenovierten Altbau am Prenzlauer Berg, also unweit von Karl. Seine Wohnung bestand aus einem einzigen circa zwanzig Quadratmeter großen Raum, der lediglich mit einer Matratze, einer Kleiderstange, einem großen rechteckigen Holztisch und einem orangefarbenen Schalensessel aus den siebziger Jahren ausgestattet war. Von seiner Küche aus, einem winzigen Schlauch mit Spanplattenschränken, bot sich einem der Blick auf einen kahlen, mit Gerümpel vollgestellten Hinterhof. Dieser Mann schien nicht begreifen zu wollen, daß er keine Zwanzig mehr war.
»Nett«, log ich, so wie Skip damals gelogen hatte, als er in meine Wohnung gekommen war.
Skip grinste nur und schwafelte etwas vom OstberlinerCharme, was ich jedoch nicht bestätigen konnte. Schließlich kannte ich auch Karls Wohnung.
»Bist du vorangekommen?« fragte Skip, während er eine Literflasche Billigrotwein entkorkte.
»Ähm ja …«, murmelte ich. Was sprach eigentlich dagegen, ihm die Wahrheit zu sagen?
»In welcher Bibliothek warst du?«
»Na, die eine …«, log ich weiter. »Weißt schon …«
»Stabi?«
Ich nickte und wurde ein bißchen rot, weil ich keinen Schimmer hatte, wo sich die Stabi überhaupt befand. Wenigstens das hätte ich vorher recherchieren können.
»War doch bestimmt reichlich umständlich hierherzukommen …«
»Ja!«
Ich wollte, daß Skip endlich mit diesem Thema aufhörte, also riß ich ihm das gerade vollgeschenkte Weinglas aus der Hand – ein paar Tropfen landeten dabei auf meinen Slingpumps – und fragte ihn, wieso er heute eigentlich nicht arbeiten müsse.
»Ich hab mir den ganzen Samstagabend bei der Verleihung des deutschen Filmpreises um die Ohren geschlagen. Irgendwann reicht es mal.«
Das fand ich auch und stieß mit ihm an.
»Auf deine Doktorarbeit«, sagte Skip mit monotoner Stimme.
»Und natürlich darauf, daß du zu mir gekommen bist.«
Kaum hatten wir ein paar Schlucke getrunken, bugsierte er mich zu seiner Matratze, um mir dort zielstrebig das Hemd aufzuknöpfen. Mir war nicht klar, wieso ich es einfach geschehen ließ, ich wußte nur, Skip war ein Mann, der immerhin jederzeit Kondome parat hatte. Und daß ich an Oskar dachte, die ganze Zeit über.
Als ich mich später aus seinen Armen wälzte, wies der Zeiger seines Donald-Duck-Weckers auf sieben. O mein Gott! Seit gut einer Stunde war ich mit Karl verabredet. Hektisch sprang ich auf und lief ins Bad, um mich rasch in original Ostdekor zu duschen. Was sollte ich Karl bloß sagen?
»Probleme?« Skip war nachgekommen und hatte sich einfach zu mir in die Duschkabine gequetscht. Gerade machte er Anstalten, mich zwischen den Beinen zu streicheln.
»Meine Cousine«, japste ich und entwand mich geschickt.
»Muß ja eine sehr strenge Frau sein, deine Tanten-Cousine«, meinte Skip nicht ohne ironischen Unterton, während ich mich mit einem angeschmutzten Händehandtuch abtrocknete. Und dann wurde er noch ironischer, indem er mich fragte, ob ich vielleicht wieder fürs Abendessen einkaufen
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